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Der Kopf zwei junger Leute ist je auf dem Bildschirm eines Smartphones zu sehen. Zwei Hände halten die Bilder zusammen.
Legende: Im Netz zusammen, im Leben getrennt: Soziale Netzwerke halten Freundschaften künstlich am Leben. Getty Images

Die digitale Clique Künstlich lebendig: Freunde im Social-Media-Koma

Im echten Leben gehen wir auf Distanz – im digitalen nicht: Soziale Netzwerke schieben Freunde zusammen, die sich bereits auseinandergelebt haben.

Freunde sind immer da. In Zeiten von sozialen Medien auch die, die man längst nicht mehr sehen will. In sozialen Netzwerken bleiben wir mit ihnen «Friends»: Solange auf Social-Media-Kanälen sichtbar, verliert sich niemand aus den Augen. Die Wissenschaft weiss aber: Alle Freunde bleiben nicht.

Ausmisten im Freundeskreis

Vor rund zehn Jahren zeigte der holländische Soziologe Gerald Mollenhorst in einer wissenschaftlichen Untersuchung , dass die Hälfte aller Freundschaften nach sieben Jahren endet. Die Anzahl Freunde insgesamt bleibt zwar bestehen, aber alte Freunde werden durch neue ersetzt – mal schleichend, mal schonungslos.

Ausmisten im Freundeskreis: Das ist auch nötig. Denn laut dem britischen Evolutionspsychologen Robin Dunbar können wir nicht beliebig viele Sozialkontakte verarbeiten. Menschen hält er für fähig, mit rund 150 Freunden, Bekannten und Verwandten umzugehen. Viele von uns haben in sozialen Netzwerken aber viel mehr «Friends».

Alte Freunde, neue Feeds

Fokussiert man auf die Social-Media-Kontakte, mit denen man eine relativ bedeutende Beziehung führt, erlaubt William Rawlins' einen genauen Blick auf die digitale Clique.

Er ist Professor an der Universität in Ohio und Autor des Buches «The Compass of Friendship». Darin unterteilt er Freundschaften in drei Kategorien : in aktive, ruhende und ehemalige.

Die Aktiven leben durch regen Austausch. Die Ruhenden werden immer wieder belebt, aber weniger regelmässig. Letztere, die ehemaligen Freunde, waren früher einmal wichtig. Heute erwartet man weder etwas von ihnen noch kontaktiert man sie selbst. Freunde aus der Vergangenheit also, die auch dort bleiben könnten. Wäre da nicht Social Media.

Freunde, aber nur digital

Die Digitalisierung des Freundeskreises hat aber dazu geführt, dass im Freundeskreis nicht ausgemistet wird. Der letzte Urlaub, das kleckernde Baby, der glitzernde Verlobungsring oder die politische Gesinnung: Social Media macht diese Informationen ehemaliger Freunde sichtbar – und lässt uns die Bindung in der digitalen Welt weiterführen.

Drei junge Frauen schauen auf ein Smartphone.
Legende: Die Selbstdarstellung im Netz hat Trennungen entlarvt, die bereits stattgefunden haben, ehe man sie mitgekriegt hat. imgao/westend61

Obwohl das Verfallsdatum längst abgelaufen ist, verlängern soziale Netzwerke Freundschaften künstlich. Dabei handelt es sich nicht um lebendige Beziehungen, eher um solche, die mit lebenserhaltenden Massnahmen – etwa Likes, Kommentaren und Beobachtungen – bestehen bleiben.

Schreibt man jemandem auf die Pinnwand, ist das eine Form der Aufrechterhaltung der Freundschaft. Damit erlaubt uns Social Media zwar mehr Freundschaften zu pflegen. Aber oberflächlicher.

Konzentriert man sich aber nur auf einige wenige Freundinnen, können diese Freundschaften durch soziale Netzwerke gestärkt werden. Laut einer Studie ist die Freundschaft intensiver, je mehr Social-Media-Kanäle zweier Freunde verknüpft sind. Instagram & Co. können also Freundschaften festigen, die einem wichtig sind. Aber auch diejenigen aufrechterhalten, die bereits verblassen.

Virtuelles Auseinanderdriften

Soziale Netzwerke sind aber nicht nur gut darin, veraltete Freunde zu behalten. Sie können auch den Verfall einer Freundschaft sichtbar machen: politische Meinungsverschiedenheiten, unverständliche oder unvereinbare Lifestyles – Feeds wie etwa auf Instagram können erkennbar machen, dass man auseinanderdriftet. Oder sich wohl endgültig auseinandergelebt hat.

Die Selbstdarstellung im Netz hat schon manch eine Trennung entlarvt, die bereits stattgefunden hat, ehe man sie mitgekriegt hat.

Lebensabschnitts-Freunde

Freundschaften sind besonders flexible Beziehungen. Anders als mit Familien und Partnern, stellen wir keine klare Erwartungen oder Verpflichtung an unsere Freunde. Darum können wir uns leicht von ihnen trennen, wenn eine neue Stadt, ein berufliches Abenteuer oder das Leben dazwischenkommt.

In der Ära klickgenerierter «Freunde» führen die Wege zwar oft auseinander, aber soziale Netzwerke vereinfachen die Option eine Freundschaft wieder zu beleben und dort fortzuführen, wo sie einmal aufgehört oder auf Sparflamme funktioniert hat. Sie ist nur wenige Klicks entfernt. Enthüllen diese aber ein offensichtliches Auseinanderleben, lässt man das Smartphone und die Freundschaft lieber schlummern.

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