Zum Inhalt springen

Feministische Aussenpolitik Bringen uns die Frauen Frieden?

Die Gegenwart zeigt: Traditionelle Aussenpolitik führt zu Konflikten und Kriegen. Das will eine Aussenpolitik ändern, die stärker auf Menschenrechte setzt statt auf territoriale Kämpfe. Ist das längst überfällig oder angesichts Aggressoren wie Putin naiv?

Es ist vorbei mit dem Frieden in Europa. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine steigt der aussenpolitische Druck auf Politikerinnen und Politiker weltweit. Die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock hat sich bei ihrem Amtsantritt einer neuen Herangehensweise verschrieben: der feministischen Aussenpolitik.

Jüngst musste sie diesen Ansatz im Bundestag vehement verteidigen: Feministische Aussenpolitik sei kein Gedöns, sondern auf der Höhe dieser Zeit.

Zwei Politikerinnen, die deutsche Annalena Baerbock und die kanadierin Melanie Joy, reden an einem Treffen der G7.
Legende: Die grüne deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock an einem G7-Treffen mit der kanadischen Aussenministerin Mélanie Joly. Imago/photothek

«Die feministische Aussenpolitik setzt primär Wert auf Diplomatie, Empathie und Multilateralismus. Auf klare Regeln wie das Völkerrecht. All die Aspekte, die gerade infrage gestellt werden», sagt Leandra Bias. Die Politikwissenschaftlerin forscht beim Friedensinstitut Swisspeace in Basel. Das Institut untersucht bewaffnete Konflikte und entwickelt Strategien für deren Beilegung.

Ob der Krieg in der Ukraine unter feministischer Aussenpolitik zu verhindern gewesen wäre, sei schwer zu sagen, so Bias. «Wir hätten wahrscheinlich weniger Bedrohungen, es gäbe weniger Aufrüstung und ein kleineres Nukleararsenal.» Der Fokus soll auf den Menschen gelegt werden und nicht auf die Verteidigung von territorialen Grenzen.

Prävention statt Aggression

Um den Frieden zu sichern, steht unter feministischer Aussenpolitik die Abrüstung eines Landes an vorderster Stelle. Abrüstungsverträge sollen verhandelt werden, um gegenseitigen Aggressionen vorzubeugen. Für Leandra Bias ist klar: Im Idealfall hätte man unter feministischer Sicherheitspolitik keine Waffen mehr.

Dennoch: In Anbetracht des brutalen Krieges in der Ukraine scheint die Forderung nach feministischer Aussenpolitik naiv. Kann diese Führungsart etwas gegen Angriffe von Despoten wie Putin ausrichten?

UN-Resolution 1325 «Frauen, Frieden, Sicherheit»

Box aufklappen Box zuklappen

Als Meilenstein gilt die am 31. Oktober 2000 vom UN-Sicherheitsrat einstimmig verabschiedete Resolution 1325. Diese wurde von der späteren Vize-Premierministerin Namibias, Netumbo Nandi-Ndaitwah, angeregt.

Die Resolution verlangt Beachtung und Verfolgung sexueller Kriegsgewalt gegen Frauen und Mädchen. Zudem soll die Partizipation von Frauen an Friedensprozessen gewährleistet werden sowie präventiv Kriege verhindert und Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt geschützt werden.

«Die Idee der feministischen Aussenpolitik ist, dass sie präventiv wirkt. Sie hätte viel früher ansetzen müssen. Schon bei der Invasion von Georgien hätten wir andere Sanktionen erheben können, früher eine Linie ziehen», sagt Leandra Bias. So hätte man sich weniger auf die Nato und mehr auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) konzentrieren sollen.

Erfolgreichere Friedensverhandlungen

Die Studie «A Global Study on the Implementation of United Nations Security Council resolution 1325» , also die Studie zur Umsetzung der im Jahr 2000 geschaffenen UN-Resolution 1325 «Frauen, Frieden, Sicherheit» zeigt: Friedensverhandlungen können tatsächlich signifikant länger halten, je mehr Frauen in den Prozess involviert sind und die Vereinbarung auch unterzeichnen. Die Studie liefert für Bias Einsichten über die Bedürfnisse, welche zur Wiederherstellung des Friedens in Betracht gezogen werden müssten.

Frauen stellen in Konflikten einen Grossteil der Zivilbevölkerung und können besser über gewisse Kriegsverbrechen berichten und Auskunft über Lebenszustände im Krieg geben. Die gesellschaftliche Wahrnehmung der Frauen spiele also eine wichtige Rolle.

«Die Bevölkerung empfindet Friedensabkommen, an denen Frauen beteiligt waren, als repräsentativer, da es sich dann nicht nur um einen Pakt zwischen denen handelt, die zu den Waffen gegriffen haben.»

Den Fokus auf die Menschenrechte lenken

Trotz humanistischer Züge wird der feministische Aspekt bewusst betont. Das dient einer besserem Machtanalyse. «Gewalt aus feministischer Perspektive beinhaltet auch strukturelle Diskriminierung, jegliche Verletzung von Menschenrechten. Der Fokus muss weg vom Staat hin zum Schutz von Menschenrechten – von allen für alle», fordert Bias.

Diplomatie statt Kampf – in Zeiten des Krieges kann man die Forderung nach feministischer Aussenpolitik entweder deplatziert finden oder aber dringend notwendig. Um sie herum kommt man wohl nicht mehr.

Radio SRF 2 Kultur, Perspektiven, 10.04.2022, 8:30 Uhr

Meistgelesene Artikel