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74. Filmfestspiele Berlin «Ethischer Tiefpunkt»: Antisemitismusvorwürfe nach Berlinale-Gala

Während der Berlinale-Gala am Samstagabend hatten sich Preisträger einseitig zum Gaza-Krieg geäussert. Politiker verurteilten die Äusserungen scharf – und Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt.

Zum Abschluss der Berlinale wurde es nochmals richtig politisch: Bei der Preisverleihung am Samstagabend erhoben Beteiligte einseitig Vorwürfe gegen Israel, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 zu erwähnen oder eine Rückführung der israelischen Geiseln zu fordern. So trugen mehrere Menschen auf der Bühne einen Zettel mit der Aufschrift «Ceasefire Now» («Feuerpause jetzt»).

«Keinen Platz für Antisemitismus»

Noch zu Beginn der Gala äusserte sich die Co-Chefin der Berlinale, Mariette Rissenbeek, dezidiert: Für «Hetze, Antisemitismus, antimuslimischen Hass und jede Form von Diskriminierung» gebe es bei der Berlinale keinen Platz. Dieser Aufruf verhallte während des Abends zusehends.

Der palästinensische Filmemacher Basel Adra etwa appellierte an Deutschland, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Adras Film «No Other Land», der den Dokumentarfilmpreis gewonnen hat, thematisiert die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern südlich von Hebron im Westjordanland. 

Mehrere Menschen stehen mit Plakaten und Israel-Flaggen zusammen.
Legende: Jüdische Filmschaffende demonstrieren am Sonntag, 25. Februar, gegen die Berlinale-Gala. IMAGO / Funke Foto Services

Die Äusserungen von Basel Adra sorgten umgehend für Kritik: Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck (Grüne), schreibt auf der Plattform X (vormals Twitter): Adras Auftritt sei beklatscht worden und unkommentiert geblieben: «ein kultureller, intellektueller und ethischer Tiefpunkt» der Berlinale, schrieb Beck.

«Lektion aus der Documenta nicht begriffen»

Auf Becks Kritik folgten weitere Stimmen mit ähnlicher Stossrichtung. Berlins Bürgermeister Kai Wegner (CDU), der am Samstagabend selbst im Publikum sass, schrieb am Sonntag auf X: «Das, was gestern auf der Berlinale vorgefallen ist, war eine untragbare Relativierung. In Berlin hat Antisemitismus keinen Platz, und das gilt auch für die Kunstszene.»

Ebenfalls zu Wort gemeldet hat sich Israels Botschafter Ron Prosor, der sich am späten Sonntagabend ebenfalls auf X äusserte: «Es scheint, dass die Lektion aus der Documenta nicht begriffen wurde. Unter dem Deckmantel der Rede- und Kunstfreiheit wird antisemitische und antiisraelische Rhetorik zelebriert.»

Claudia Roth kündigt Untersuchung an

Die Berlinale hat sich von den Äusserungen einzelner Filmschaffender distanziert. «Die Äusserungen von Preisträgerinnen und Preisträger sind unabhängige individuelle Meinungen. Sie geben in keiner Form die Haltung des Festivals wieder», teilte eine Berlinale-Sprecherin gegenüber der Nachrichtenagentur DPA mit.

Inzwischen hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth eine Untersuchung der Vorfälle angekündigt. «Gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin und dem Berliner Senat werden wir die Vorkommnisse bei der Bärenverleihung aufarbeiten», sagte die Grünen-Politikerin am Montag. Es solle untersucht werden, wie die Berlinale ihrem Anspruch, ein Ort für Vielfalt, unterschiedliche Perspektiven und Dialog zu sein, gerecht geworden sei oder nicht.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Nachrichten, 26.02.2024, 8 Uhr. ; 

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