Irgendwie passt dieser Abschied zu Anaïs Emery. Sie, die 15 Jahre lang ein Festival der lauten, schrillen Filme geleitet hat, die blutige Horrorfilme ebenso mochte wie schräge Fantasykomödien, mag das Rampenlicht überhaupt nicht. Sie ist froh, wenn sie im Hintergrund bleiben kann.
Ihr Festival sollte sich nie um sie, sondern um die Filme drehen. Ob sie stolz sei auf das, was sie erreicht habe mit dem NIFFF? Stolz, das entspreche ihr nicht, sagt sie. Sie sei vielmehr dankbar, für gute Zusammenarbeit mit tollen Kolleginnen und Kollegen, sagt sie. Das klingt nicht wie eine Floskel – so ist Anaïs Emery.
Besondere Vision des Genrekinos
Trotzdem: Traurig ist es, dass sie, die das NIFFF von einem kleinen Liebhaberevent zu einem international wichtigen Genre-Festival gemacht hat, nun in aller Stille abtreten muss. Sie tröstet sich damit, dass es eine globale Situation sei: «Es betrifft ja nicht nur mich und das NIFFF», sagt sie.
Das NIFFF unterscheide von anderen Genre-Festivals, sagt Emery im Rückblick: Sie habe immer eine besondere Vision des Genrekinos vertreten, «Ich bin immer an die äussersten Grenzen des fantastischen Kinos gegangen oder habe diese gar überschritten.»
Für Genre-Fans und Neugierige
Emery hat auch immer die Verbindung von fantastischem Kino und Autorenkino gesucht – und damit auch ein Publikum nach Neuenburg gelockt, das normalerweise nicht an Fantasy-Filmfestivals anzutreffen ist. Genau das finde sie toll: Dass ihr NIFFF eben nicht nur Familientreffen der Genre-Fans ist, die das konsumieren, was sie eh schon kennen. «Es kommt der Hardcorefan in schwarzen Klamotten, es kommen aber auch cinephile Neugierige, die sich zuvor nicht mit Fantasy- und Horrorkino auseinandergesetzt haben.»
Nun wechselt Anaïs Emery nach Genf, ans Geneva International Film Festival. Das ist kein Genre-Festival, sondern widmet sich dem Kino und dem Fernsehfilm in ganzer Breite.
Auch eine Chance für das NIFFF
Sie sei sehr dankbar über ihre Zeit am NIFFF, aber nach 15 Jahren sei es Zeit für sie, das reine Genrekino zu verlassen und in einem anderen Kontext weiterzuarbeiten. «Das ist auch eine Chance für das NIFFF, das mit neuer Energie weitergehen kann.»
Aber wie geht's weiter mit den Filmfestivals während oder nach der Corona-Pandemie? «Festivals bleiben in vielerlei Hinsicht wichtig», sagt Anaïs Emery. Damit erstens die Filme von Festival zu Festival reisen und sich international präsentieren können und so eine Bekanntheit und ein Publikum erreichen.
Sie seien aber auch wichtig, damit sich ein Publikum mit der Entstehung von Bildern, von Audiovisualität auseinandersetze. Schliesslich umgeben uns diese Bilder 24 Stunden täglich.
Dann sagt sie noch verschmitzt: «Eventuell werden wegen der Sicherheitsmassnahmen nicht mehr so viele Leute an ein Festival kommen können. Dann wird das Kriterium, um ein Festival zu bewerten nicht mehr der Publikumsrekord sein. Darauf freue ich mich.»