«Ich wurde in einen Kampf hineingeboren. Der Kampf begann, sobald ich auf der Welt war: gegen religiöse Unterdrückung, gegen die ungerechte Behandlung durch die Behörden, gegen Übergriffe auf Territorium, Glauben und Kultur. Und jetzt müssen wir wieder kämpfen. Gegen den Klimawandel. Und dieser Kampf wird unser letzter sein, wenn wir ihn nicht gewinnen.»
Das sagt die Textilkünstlerin Britta Marakatt-Labba. Mit Nadel und Faden stickt sie auf langen Wandteppichen das Leben ihres Stammes, der Samen. Immer wiederkehrende Motive sind Rentiere, Krähen, mystische Gestalten und tief verschneite Landschaften.
2017 feierte sie ihren grossen Durchbruch an der Documenta 14 in Kassel, wo sie ihre Werke zum ersten Mal einem internationalen Publikum zeigte. 2022 wurde sie an die Biennale Venedig eingeladen. 2024 wird das National Museum Oslo eine grosse Retrospektive ihrer Arbeiten zeigen.
Kunst, geboren aus einer Tragödie
Britta Marakatt-Labba wurde 1951 geboren. Ihre Familie lebte, wie die meisten Samen, seit Generationen von der Rentierzucht. Sie wuchs mit neun Geschwistern auf. Ihr Vater starb, als sie gerade fünf Jahre alt war.
«Mein Vater ging an Heiligabend hinaus zur Herde und kehrte nochmals um, weil er seinen Schnupftabak vergessen hatte. Als er die Strasse zum zweiten Mal überquerte, um wieder zur Herde zurückzukehren, passte er nicht auf und ein Auto erfasste ihn.» In Zeichnungen verarbeitete sie den tragischen Tod des Vaters. «Ich denke oft darüber nach, ob ich überhaupt Bilder machen würde, wenn ich seinen tragischen Tod nicht erlebt hätte. Eins führt also zum anderen.»
Die Natur und die Mythologie der samischen Kultur sind eine grosse Inspirationsquelle für Marakatt-Labba. In ihren Bildern finden sich Wesen, die die Seelen der Urmütter darstellen, die noch immer in den Wäldern leben.
«Sie sagen uns, was wir tun müssen, um die Natur zu schützen, damit sie so bleibt. Doch plötzlich gibt es diese unberührten Stätten nicht mehr. Jemand hat darin gegraben und das Gleichgewicht zerstört. Heiligen samischen Orten wird wenig Respekt entgegengebracht. Jetzt tauchen grosse Firmen auf, denen unsere Kultur egal ist und auch unser Glaube. Für uns ist es das nicht. Für uns ist es existenziell.»
Das Land der Samen ist grenzenlos
Marakatt-Labba beteiligt sich immer wieder als Aktivistin im Kampf um den Erhalt des Landes der Samen. «Ich mache mir grosse Sorgen um unsere Zukunft. Und um die Zukunft unserer Kinder und Grosskinder.» Sie hat selbst Erfahrung mit der Polizei, die nicht zimperlich mit den Klimaaktivisten umgeht. In ihren Bildern stellt sie die Polizisten als schwarze Krähen dar.
«Die Krähen begleiten mich schon seit 1981, als ich selbst auf die Barrikaden ging. Es war ein komisches Gefühl, in einen Polizeiwagen gesteckt und auf den Polizeiposten gebracht zu werden. Als ich dort ankam, sagte der Beamte: ‹Wir fahren Sie zur Grenze.› Ich fragte ihn, von welcher Grenze er spreche. ‹Die zwischen Norwegen und Schweden›, sagte er.»
Für die Samen gab es diese Grenze nicht, sie sind immer umhergezogen. «Entschuldigen Sie, diese Grenze gibt es für mich nicht. Wir sind hier im Land der Samen, in ‹Sápmi›», entgegnete Britta Marakatt-Labba. Der Polizist sagte kein Wort mehr. «Er schwieg einfach.»