Persischer Golf, 1965. Ein orange gefärbter Chevrolet Impala fährt durch eine Wüste, die Musik ist dramatisch. Am Steuer sitzt der attraktive Kommissar Babak Hafizi. Er ist beauftragt mit der Untersuchung eines Selbstmords in der Region, der offensichtlich keiner war: Die Strangulationsspuren am Hals des Erhängten – er war ein Soldat in politischer Haft – deuten auf Fremdeinwirkung hin.
Das könnte der Auftakt zu einem historisch gefärbten Verschwörungs- und Politthriller sein, zumal schon recht früh im Film von Geheimorganisationen die Rede ist und das Jahr 1965 in der iranischen Geschichte eine spezifische Bedeutung hat: Am 22. Januar wurde Premierminister Mansour ermordet, die Zukunft des Reformprogramms «Weisse Revolution» stand auf dem Spiel. Daraus hätte man etwas basteln können. Aber «A Dragon Arrives!» zieht – vorerst – in ganz andere Richtungen los.
Es wird übernatürlich – und unübersichtlich
Gleich auf mehreren Ebenen werden übernatürliche Komponenten in die Handlung eingeflochten: Einerseits liegt in dieser Wüste das Wrack eines grossen Schiffs, ohne dass klar ist, wie es hierher kam.
Ausserdem soll hier früher ein Geist in einen Mann gefahren sein, wird einem erzählt. Und schliesslich befindet sich ein Friedhof in der Nähe, wo nach jedem Begräbnis die Erde bebt. Eine Spukgeschichte also? Es scheint so. Aber auch das trifft die Sache nur halb.
Eine wahre Geschichte?
Der Autor und Regisseur Mani Haghighi («A Modest Reception», 2012) führt im Verlauf des Films immer wieder neue Themen, Personen und Motive ein. Er legt dabei falsche Fährten, aber auch richtige. Schon bald tritt auch Haghighi persönlich vor die Kamera und behauptet ernsthaft, der von ihm gezeigte Film beruhe auf einer wahren Geschichte: Ein Toningenieur, der am Filmset seines Grossvaters arbeitete, sei eines Tages spurlos verschwunden. Er und Hafizi kannten sich.
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Im Anschluss vervielfachen sich die narrativen Ebenen der Handlung: Es gibt einen Film im Film, streng genommen sogar einen Film im Film im Film, später auch ein Theater im Film, von den obskuren Andeutungen auf allerlei Legenden und Mythen ganz zu schweigen. Anders ausgedrückt: Es wird langsam unübersichtlich.
Die Lust am Geschichten-Labyrinth
Eigentlich könnte man als Zuschauer irgendwann frustriert den Bettel hinschmeissen und sich ausklinken aus dieser Geschichte, die jedes Mal, wenn sich eine Auflösung oder ein Abschluss abzeichnet, wieder völlig neue Züge annimmt.
Trotzdem bleibt man dran: «A Dragon Arrives!» ist atmosphärisch dermassen dicht, spannend, reich an Überraschungen und gut gespielt, dass man es letztlich problemlos hinnimmt, dass der Überblick bisweilen fehlt. Im Gegenteil: Man entwickelt sogar eine ganz besondere Lust, sich diesem verwirrenden Spiel hinzugeben. Etwa so wie beim Lesen eines Romans von Salman Rushdie oder beim Betrachten eines Films von David Lynch.
Ein Film – viele Genres
In der zweiten Hälfte von «A Dragon Arrives!» hat sich das Publikum schliesslich eingestellt auf ein Werk, das sich nicht scheut, sich ständig neu zu erfinden. Zum Unterhaltungswert trägt bei, dass die Vielfalt der Geschichten auch eine Vielfalt der zitierten Genres mit sich zieht: «A Dragon Arrives!» ist zugleich ein metaphysischer Horrorfilm, ein Politthriller, ein existentialistischer Krimi, ein psychedelischer Trip, ein Mockumentary und eine subversive, pikareske Farce.
Irgendwann im letzten Drittel – man scheint weiter denn je von einer rationalen Auflösung des Geschehens entfernt – wird man dann auch noch Zeuge davon, wie ein Protagonist der Dame seines Herzens ein unerwartet bewegendes Liebesgeständnis macht. Einen Moment lang ist man zu Tränen gerührt, während sich mittlerweile einzelne Teile der Handlung tatsächlich zu einem Plot zusammenfügen – wenn auch auf aberwitzige Weise.
So einen Film will man nochmals und nochmals und nochmals sehen – und zwar, bis man ihn verstanden hat.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 20.10.2016, 07.20 Uhr.