Ein Mädchen in jedem Hafen und Kameraden auf hoher See. Die Schiffer-Romantik weht wie ein Kindergespenst durch diesen ansonsten fast dokumentarisch präzisen Hochseefilm. Und die wunderbare Ariane Labed spielt die Hauptrolle: den zweiten Schiffsingenieur und die einzige Frau an Bord des rund 30 Jahre alten Containerschiffs «Fidelio».
In den ersten Einstellungen sehen wir sie nackt im Wasser schwimmen wie eine Meerjungfrau. Aber sie schwimmt aufs Land zu, an den Strand, wo ihr neuer norwegischer Freund auf sie wartet. Später, auf dem Schiff, auf dem sie angeheuert hat, ist der Kapitän ein Mann ihrer Vergangenheit, ihre erste grosse Liebe, aus ihrer Kadettenzeit.
Mit Ritualen eine Maschine bändigen
Ein Mann an Land und einer auf See: Für Alice scheint das möglich, auch wenn sie den Kapitän zunächst zurückweist, die Vergangenheit lieber abstreifen würde. Aber es gibt da noch den Toten, der ihre Kabine zuvor bewohnt hat und ein Tagebuch zurückgelassen hat.
Es gibt eine Dieselmotorgruppe, die zu Unregelmässigkeiten neigt und den Tod ihres Vorgängers verursacht hat. Und philippinische Matrosen, die vor dem Ablegen mit Ritualen die Maschine zu bändigen versuchen.
Winzige Mannschaften auf riesigen Schiffen
Es ist dieses ganz selbstverständliche Aufeinandertreffen von präzise dokumentiertem Schiffsalltag – auf einem dieser von winzigen Mannschaften betreuten Ozeanriesen – mit den anachronistischen Gebräuchen und Ritualen der Seeleute und der ewigen Frage nach Wahlverwandschaft und Freiheit des Liebens, die diesen Film so unwiderstehlich macht.
Lucie Borleteau macht sich die dokumentarische Faszination für diese Welt maximal zu Nutzen, um darin eingesponnen Geschichten um das Lieben mit Optionen und die absolute Liebe ohne Garantien zu zeichnen, poetisch, realistisch, feinfühlig und packend.
«Fidelio – L’odyssée d’Alice» startet am 25. Juni in den Deutschschweizer Kinos.