Ein nordischer November. Die Internationalen Kurzfilmtage Winterthur feiern ihr 20-Jahr-Jubiläum und beschenken ihr Publikum mit einer knackigen Auswahl aus Skandinavien.
In der Sektion «Grosser Fokus» laufen neun Programme. Das Programm, das wir als Stichprobe gewählt haben, trägt den Titel «Nordic Presents» (Geschenke aus dem Norden). Denn ganz ehrlich: Beschenken lassen wir uns immer gerne.
Charakteristika des nordischen Kurzfilmschaffens
Die Zusammenstellung des Programms «Nordic Presents» wirkt auf den ersten Blick herrlich zufällig, wie eine kunterbunte Wundertüte.
Es besteht aus fünf Filmen mit fünf grundverschiedenen Themen: ein Clip über die schwedische Popgruppe ABBA, eine Dokumentation über finnisches Design, ein «Einminüter» mit schwitzenden und singenden Männern in der Sauna, ein skurriles Familiendrama und ein kreativer Ohrenschmaus.
Doch zwei Dinge ist allen Kurzfilmen eigen: sonderbarer Charme und lakonische Prägnanz. Die nordischen Filmländer sind bekannt für ihre absurden und kreativen Produktionen.
Kleine Geographie des Humors
Slapstick, Selbstironie, Zynismus. Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Jeder kennt den britischen Humor und hat zumindest schon vom Wiener Schmäh gehört. Doch mit welcher Form von Komik begegnen die Skandinavier alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken?
Scharfkantig. Trocken. Lakonisch. Diese drei Adjektive umschreiben den Humor unserer nordischen Zeitgenossen ziemlich treffend. Der Kurzfilm «Jord Over Vind» (Erde über Wind) des norwegischen Jungregisseurs Joern Utkilen ist ein perfektes Beispiel dafür.
Ein kaputtes Blumenbeet und eine Frau am Strick
Im ersten Viertel des 40-minütigen Kurzfilms sind Vater und Sohn auf ihren Fahrrädern unterwegs. Der Vater: ein Kindskopf. Der Junge: ein Schlitzohr.
Gemeinsam fahren sie durch ein Quartier. Plötzlich setzt der Vater zu einem Spurt an und radelt Vollgas durch ein schönes Blumenbeet. Es ist das Blumenbeet seiner Frau, bald Ex-Frau.
Auf der anderen Strassenseite hängt eine junge Frau über der Veranda an einem Strick. Ist sie etwa ... tot? Ihre Mutter kommt vom Einkaufen zurück und geht ungerührt an der baumelnden Tochter vorbei ins Haus.
Kurz danach befreit sich diese aus ihrer misslichen Lage. Es war bloss ein stummer Schrei nach Aufmerksamkeit.
Das ist nordischer Humor in Reinkultur. Der Kurzfilm skizziert exemplarisch das Leben einer Handvoll Personen, die unglücklich sind.
Durch die überspitzte Darstellung erkennen wir in aller Deutlichkeit, wie das Innenleben dieser Menschen aussieht. Und insgeheim wissen wir: Das sind nicht irgendwelche Freaks. Damit sind wir alle gemeint. Herzzereissendes wird witzig und Tragisches komisch. Eine Kunst, welche die Nordländer wohl im Blut haben, wie ihre Kurzfilme in Winterthur nahelegen.