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Pedro Almodóvar und Penélope Cruz.
Legende: «Wie ein altes, vertrautes Pärchen, das nicht mehr miteinander schläft»: Pedro Almodóvar und Penélope Cruz. Keystone

Film & Serien Pedro und Penélope – eine spanische Liebesgeschichte

Im neusten Film von Pedro Almodóvar «Los amantes pasajeros» hat Penélope Cruz nur einen winzigen Gastauftritt. Dennoch wird sie in seinem zukünftigen Schaffen eine Hauptrolle spielen. Denn sie ist seine erste «chica Almodóvar».

Das erstaunlichste Dokument der Zusammenarbeit zwischen Penélope Cruz und Pedro Almodóvar findet sich im Bonusmaterial der DVD ihres gemeinsamen Filmes «Los abrazos rotos» von 2009. Das Set ist fertig eingerichtet, Penélope Cruz und ihre Spielpartnerin Carmen Machi proben ihre Szene. Was jeder Regieanfänger beim Führen von Schauspielern gleich als Erstes lernt: Sätze vorsagen verboten, denn ein Schauspieler ist ein Künstler und kein Papagei.

Perfekter Flow

Almodóvar aber sagt Cruz alles vor, en détail. Er spricht während dem Dialog die Gedanken ihrer Figur ein. Erläutert den Subtext ihrer Rede. Sagt ihr, wohin sie wie wann schauen soll. Fährt ihr über den Mund, um Betonung und Tempi zu korrigieren – auf den ersten Blick die Arbeitsweise eines Diktators. Erst beim zweiten Hinschauen, bemerkt man, wie eingespielt die Beiden sind. Und dass es hier mitnichten um eine Machtdemonstration des Regisseurs oder um eine Verletzung der schauspielerischen Freiheit geht. Pedro und Penélope befinden sich im perfekten Flow, sind optimal eingespielt. Man beobachtet eine Schauspielerin, die ihrem Regisseur voll und ganz vertraut.

Wie ein altes Pärchen, das nicht mehr zusammen schläft

«Ein so hohes kreatives Niveau mit jemandem, dem ich absolut vertraue, das wird mir nur mit dir gelingen», sagt Penélope Cruz im Audiokommentar des Films zu Almodóvar. «Wir arbeiten zusammen wie ein altes, vertrautes Pärchen, das nicht mehr miteinander schläft. Wir geniessen zwar nicht die Freuden von Sex, aber auch nicht die damit einhergehenden Komplikationen», sagt Almodóvar, seit dem Beginn seiner Karriere offen homosexuell.

Dabei war es nicht Pedro Almodóvar, der Penélope Cruz als Schauspielerin entdeckt hat. Aber wegen ihm hat Penélope Cruz die Schauspielerei für sich entdeckt. 1990 sah sie seinen Film «Átame!» – ein einschneidendes Erlebnis. An diesem Tag, erzählt sie in Interviews, habe sie die Entscheidung gefasst, Schauspielerin zu werden. Da war sie 16.

Schönheit und bezaubernder Akzent

Erst sieben Jahre später, 1997, arbeiten die beiden in seinem Film «Carne trémula» das erste Mal zusammen. Doch es ist ein anderer Film, den sie im gleichen Jahr dreht, mit dem sie den Durchbruch in Hollywood schafft: «Abre los ojos», ein Thriller ihres Landsmanns Alejandro Amenábar. In Los Angeles interessiert man sich allerdings mehr für die Schönheit und den bezaubernden Akzent der Spanierin. Ob sie eine gute Schauspielerin ist oder nicht, bleibt zweitrangig.

Daran ändert auch ihre zweite Zusammenarbeit mit Almodóvar fernab von Hollywood nichts. In seinem wunderbaren «Todo sobre mi madre» spielt Penélope Cruz eine Nonne, die von einem Transsexuellen schwanger und mit HIV angesteckt wird. «Wie kann man das glaubwürdig spielen?», soll Cruz vor den Dreharbeiten gefragt haben. «Vertrau mir», soll Almodóvar geantwortet haben. Das tat sie. Ihr Auftritt ist bestechend. Cruz zeigt Vielseitigkeit, Timing und Präsenz.  

Heissblütiger Ehefrauenschreck

In US-Produktionen bleibt sie weiterhin ausschliesslich exotischer Augenschmaus. «Vanilla Sky», das US-Remake von «Abres los ojos», besiegelt dieses Image. Sie steht darin mit Tom Cruise vor der Kamera – der sich zum gleichen Zeitpunkt, von medialem Trommelwirbel begleitet, von seiner langjährigen Partnerin Nicole Kidman trennt. Cruz und Cruise treten als Liebespaar in der Öffentlichkeit auf. Unscharfe Schmusebilder säumen die Gazetten dieser Welt, von der weiblichen Leserschaft missbilligend inspiziert. Penélope Cruz, heissblütiger Ehefrauenschreck, getarnt als zartes Lichtwesen mit Rehblick: Der Stempel sitzt.

Da rückt Landsmann Almodóvar auf den Plan: «Es hat mir das Herz gebrochen, sie in diesen Filmen zu sehen, in denen sie nicht so gut war, wie sie hätte sein können». Schliesslich schenkt er ihr 2007 ihre bis dato schönste und komplexeste Rolle, die der Raimunda in «Volver». Er inszeniert ihre Weiblichkeit in der Tradition der italienischen Neorealisten, gibt der Schauspielerin eine Bühne, auf der sie endlich einmal richtig spielen kann. «Volver» markiert den Wendepunkt ihrer Karriere. Oder den Zeitpunkt ihrer eigentlichen Entdeckung als ernstzunehmende Schauspielerin. Zwei Jahre später nimmt sie für «Vicky Christina Barcelona» in Hollywood ihren ersten Oscar für die beste Nebendarstellerin entgegen.

Liebeserklärung an Penélope

Und die Zusammenarbeit mit Almodóvar scheint erst am Anfang zu sein. Zum Filmstart des vierten gemeinsamen Films «Los abrazos rotos» sagt er 2009 in einem Interview: «Ich freue mich darauf, in zehn Jahren mit ihr zu arbeiten, wenn sie 45 ist und ganz andere Charaktere spielen kann. Wenn man jemanden so lange kennt, gibt einem das Glaube und Zuversicht an die vielen Möglichkeiten, die sich einem eröffnen werden.» Etwas Schöneres kann ein Regisseur über seine Schauspielerin nicht sagen: Es kommt einer Liebeserklärung gleich.

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