Man muss sich klar machen, dass «Woman in Gold» keine Kopfgeburt eines Drehbuchautoren ist, obwohl es so klingt. Eine alte Frau, die mit einem jungen, mittelmässigen Anwalt wegen eines teuren Gemäldes gegen eine ganze Regierung kämpft, klingt nach Hollywood pur. Ist es aber nicht. «Woman in Gold» ist einer der vielen Filme, die in letzter Zeit herausgekommen sind und das Label «Eine wahre Geschichte» tragen.
Kampf um Gerechtigkeit
Helen Mirren spielt Maria Altmann, eine österreichische Jüdin, die kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in die USA geflüchtet war. Als 1998 neue Gesetze in Österreich die Ansprüche auf Rückgabe von Raubkunst angeblich erleichtern, forderte die mittlerweile 82-Jährige die fünf Bilder zurück, die die Nationalsozialisten ihrer Familie geraubt hatten. «Ihr möchtet wiedervereint werden?», fragte sie ihr Anwalt im Film. Maria Altmann antwortet: «Das wäre doch wunderbar. Dann gibt es endlich Gerechtigkeit». Es handelte sich nicht um irgendwelche Malereien. Es handelte sich um Gemälde des berühmten österreichischen Malers Gustav Klimt, darunter die «Goldene Adele», eines der wertvollsten Bilder der Welt.
David gegen Goliath
Trotz neuer Gesetze musste Altman sechs Jahre um die Bilder kämpfen. Die Regierung in Wien verweigerte die Rückgabe der «österreichischen Mona Lisa», wie das Gemälde im Film genannt wird, aus formalistischen Gründen. Die Beamten behaupteten Altman wäre nicht die Erbin. Genützt hat es nichts. Altman verklagte 2004 vor dem Obersten Gerichtshof der USA den Staat Österreich. Es kam zu einem David gegen Goliath-Prozess. Sie gewann. 2006 bekam Maria Altmann dann endlich die Bilder von einem österreichischen Schiedsgericht zugesprochen
Der Entscheid machte weltweit Schlagzeilen. Die 90-Jährige zeigte sich damals in einem TV-Interview hochzufrieden. «Ich denke, es ist ein fantastischer, unerwarteter Sieg. Es ist wunderbar, dass die Gerechtigkeit nach so vielen Jahren gesiegt hat», sagte sie grinsend dem Reporter. Den Erfolg hatten weder sie noch ihr damaliger Anwalt Randol Schoenberg, Enkel des österreichischen Komponisten Arnold Schönberg, erwartet. Aber es ging von vornherein nicht nur darum. Ziel sei es auch gewesen, Maria Altmanns Geschichte zu erzählen, sagt Schoenberg heute. Spätestens jetzt mit dem Film hat das geklappt.
Filmisch gesehen ist «Woman in Gold» Durchschnitt. Routiniert werden die Rückblenden in die 1930er-Jahre gesetzt. Helen Mirren als Maria Altmann und Ryan Reynolds als ihr junger, unerfahrener Anwalt funktionieren gut als gegensätzliches Paar. Sie liefern sich einige hinreissende Wortduelle.
Auszeichnung für Helen Mirren
Obwohl es kein überragender Auftritt von Helen Mirren ist, wurde sie für ihre Rolle als Maria Altmann vom Jüdischen Weltkongress ausgezeichnet. Das weist darauf hin, dass die eigentliche Stärke des Films das Thema ist. Es geht um die gern verschwiegene Tatsache, dass nach Ende des Zweiten Weltkrieges Regierungen und Museen sich Raubkunst aneigneten. Es geht auch darum, dass das Thema noch immer aktuell ist. «Es gibt mindestens 100’000 Kunstwerke, die noch nicht an ihre rechtmässigen Besitzer retourniert wurden», sagt David M. Thompson, der Produzent von «Woman in Gold». «Das ist ein wichtiges Thema und eine Geschichte, die bisher nicht oft im Kino erzählt wurde.»
Dem britischen Regisseur Simon Curtis ging es um mehr. «Weltweit gibt es wieder vermehrt Antisemitismus», erklärt er im Interview. «Deshalb ist es wichtig, die Menschen daran zu erinnern, was während des Dritten Reiches passiert ist.» Dem ist nichts hinzufügen.
Kinostart: 28.05.2015