Es sollte eine Art Synthese von Delirium und «Dedications» werden. Peter Liechti schrieb in der Drehvorlage zu seinem letzten Film: Gesucht sei eine Übersetzung der Instabilität und physischen Überempfindlichkeit in eine surreale, verdichtete Wirklichkeit.
Auch im Schock über seine Diagnose hörte Liechti nie auf, Künstler zu sein. Er startete sogleich das neue Projekt, schrieb ein Spitaltagebuch, sammelte aus seinem eigenen Filmarchiv Szenen, Naturbilder. Als Gegensatz zu diesen fast unwirklichen Filmbildern aus Liechtis Archiv sollten Szenen und Bilder aus dem Spital dienen. Der Filmproduzent und Kameramann Peter Guyer, der schon bei mehreren früheren Projekten mit dabei war, filmte immer wieder im Spital: den Gang, den Blick aus dem Fenster, Peter Liechti, wie er, gezeichnet von der Krankheit, durch den Gang geht oder aus dem Fenster blickt.
Beiträge zum Thema
- Hommage an Peter Liechti (Kultur kompakt, 26.1.16)
- Peter Liechtis Hasen (Passage, 11.4.14)
- Peter Liechti ist gestorben (Reflexe, 7.4.14)
- Seine Filme bleiben stilbildend (Kultur kompakt, 7.4.14)
- «Vaters Garten»: (K)ein Elternporträt (Reflexe, 26.9.13)
- «Vaters Garten. Die Liebe meiner Eltern» (Tagesgespräch, 25.9.13)
- Klartext, Fragen an meine Eltern (Buch-Tipps, 22.8.13)
- Berlinale: Liechti zu «Vaters Garten» (Kultur kompakt, 7.2.13)
Drei Formen der Veröffentlichung
Der Film wurde nie fertig. Peter Liechti starb im April 2014 an seiner Krankheit und hinterliess die vielen Teile seiner Vorarbeit für «Dedications».
Jolanda Gsponer, Weggefährtin Liechtis, suchte nach einem Weg, seine Arbeit doch noch zu veröffentlichen, weiterzudenken. Sie begann, zusammen mit Liechtis Filmteam, nach einem Weg zu suchen. Das Team hat nun drei verschiedene Formen der Veröffentlichung gewählt.
Ein Buch liegt vor: «Peter Liechti. Dedications». Es ist wunderschön anzuschauen und anzufassen und es ist wertvoll. Das spürt man gleich, wenn man es öffnet. Ist das Buch eine Muschel, die sorgsam Liechtis letzte Texte, «Schreibhäufchen», und Filmstills umschliesst, so ist die beigelegte DVD die kostbarste Perle: das 15-minütigen Rohschnittfragment dessen, was Liechtis letzter Film, sein Vermächtnis hätte werden sollen.
Von entrückter Schönheit
Liechti hatte seine Texte des Spitaltagebuchs noch selber vor der Kamera gelesen, in seinem Atelierhaus im Appenzell, verwob diese Lesungen mit Super-8-Bildern von entrückter Schönheit – Liechti liebte das Super-8-Format. Dazwischen Filmausschnitte von einer Reise nach Afrika. Ergänzt ist das Buch mit Texten, mit dem Drehbuchentwurf Peter Liechtis und mit einem Essay seines Freundes, des Filmkritikers Christoph Egger.
Zweiter Teil des Projekts ist eine Installation des ganzen Filmmaterials, das für den Film vorgesehen war. Das sind drei verschiedene Schauplätze: Aufnahmen von Reisen nach Afrika, das Super-8-Archivmaterial und die Szenen aus dem Spital.
Der Künstler Yves Netzhammer hat sie für eine Installation kombiniert – so kann man selber zwischen diesen letzten Bildern Liechtis herumgehen, sogar um sie herum gehen, von vorne oder spiegelverkehrt von hinten sehen. Die Ausstellung wird nun wandern, erst nach Rotterdam, dann weiter durch Europa, und dann im Frühling wieder in der Schweiz zu sehen sein.
Kein Kunstwerk «im Stile Liechtis»
Und schliesslich der Film: Die ganze Lesung von Liechtis Spitaltagebuch haben Jolanda Gsponer und Liechtis Filmteam zu einer Lesung auf Leinwand zusammengeführt. «Dedications – die Lesung» ist ein stündiger Film, in dem man den von der Krankheit gezeichneten Künstler am Tisch sieht, wie er seine Texte liest – dazwischen die Archivaufnahmen, die er bereits für das Projekt zusammengesucht hatte.
Bewusst ist der Film nicht allzu kunstvoll montiert, es ist kein Kunstwerk «im Stile Liechtis» geworden. Zum Glück. Man habe, sagte Jolanda Gsponer, sich auf keinen Fall Liechtis Autorschaft aneignen wollen, sein Werk nicht «vollenden» wollen.
Das Rohschnittfragment, dem Buch beigefügt, stehe für sich. Ein schönes Dokument ist der Film geworden, tatsächlich eine Lesung, in der uns Liechti in einem seiner Texte sogar noch persönlich anspricht, uns alle, die er nicht kennt, und für die er seine Arbeiten schrieb, filmte. Wunderbare Widmungen, «Dedications» sind das, die wir nun doch noch zu sehen und zu hören bekommen.