«Grüssen sie meine Freunde in Hollywood, falls sie noch am Leben sind», sagte Marthe Keller einst in einem Film. Das war 1978. Das Werk hiess «Fedora» und war ein erotischer Thriller, halb Schwanengesang, halb Altherrenfantasie. Es war der zweitletzte Film von Billy Wilder, der sich damit eine bitterböse Abrechnung mit dem Hollywood-Studiosystem erlaubte.
Von der Komödie zum Drama
Für sein Projekt brauchte er eine glamouröse Filmdiva, die an Garbo und Dietrich erinnerte, und die diese Rolle sowohl als aufstrebendes Starlet wie auch als abgehalftertes, psychotisches Wrack im Exil verkörpern konnte. Er suchte Faye Dunaway – aber er fand Marthe Keller.
Marthe Keller, vor gut 70 Jahren geboren in Basel, war damals um die 30 Jahre alt, und sie war unsere «Schweizerin in Hollywood». Sie hatte zuvor am Stadttheater Basel getanzt, in München Schauspielunterricht genommen, in deutschen Theatern und Fernsehproduktionen gespielt und danach in Frankreich den Sprung auf die grosse Leinwand geschafft. Zuerst in Komödien, dann aber rasch auch in dramatischeren Rollen.
Ein Star in den USA
Ihr Name war gemacht, sie spielte unter illustren Regisseuren. Aber wirklich grandiose Filme wollten daraus nicht werden. Selbst dann nicht, wenn sie als solche geplant waren: Man denkt etwa an das ambitionierte Jahrhundert-Epos «Toute une vie» von Claude Lelouch (1974), in dem sie als Grossmutter, Mutter und Tochter zu verschiedenen Epochen auftrat.
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1975 überquerte sie schliesslich den Ozean. Und das nicht umsonst: Gleich mit ihrer ersten Rolle in «Marathon Man» (1976) neben Dustin Hoffman wurde sie für einen Golden Globe als beste Nebendarstellerin nominiert. Kurz darauf ballerte sie schweres Geschütz aus einem fliegenden Helikopter: Sie überzeugte als arabische Terroristin in John Frankenheimers umstrittenem Thriller «Black Sunday» (1977). Und noch im selben Jahr verdrehte sie in «Bobby Deerfield» – diversen Quellen zufolge nicht nur auf der Leinwand – dem Superstar Al Pacino den Kopf. Er spielte einen Autorennfahrer, sie eine tödlich an Leukämie erkrankte junge Frau.
Rückkehr nach Europa
Es folgte der eingangs erwähnte «Fedora», und damit bereits der vierte Leinwandtod in Hollywood. Doch der heute geschätzte Film fiel damals durch, die Karriere geriet ins Wanken. In «The Formula» (1980) von «Rocky»-Regisseur John G. Avildsen verblasste sie neben Marlon Brando, und mit einer Nebenrolle in dem Spionagethriller «The Amateur» (1981) verabschiedete sie sich aus den USA.
Zurück in Europa stand sie für deutsche, italienische, französische und britische Produktionen vor der Kamera – weiterhin für prestigeträchtige Projekte wie den TV-Mehrteiler «Wagner» (1983) mit Richard Burton, aber auch für diskretere Produktionen wie den obskuren Fernsehfilm «The Hospice» (1987), den ihr Landsmann Dominique Othenin-Girard inszenierte.
Eine anspruchsvolle, komplexe Rolle
Heute ist sie mehrheitlich in französischsprachigen Filmen präsent, auch in Clint Eastwoods «Hereafter» (2010) spricht sie Französisch. In Richard Dindos essayistischer Romanverfilmung «Homo Faber: Drei Frauen» (Schweiz, 2015) blieb sie gar völlig stumm. Und in ihrem neuen Film «Amnesia» ist die Verweigerung ihrer Figur, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, ein wesentlicher Teil des in Ibiza spielenden Plots.
Es ist eine höchst anspruchsvolle, komplexe Rolle, der Marthe Kellers Namen jenseits aller letztlich empfangenen Ehrungen wieder ins Gespräch bringen könnte. Der «Amnesia»-Regisseur Barbet Schroeder jedenfalls schwärmt von ihrem Einsatz und ihrem Professionalismus. Alles andere also als eine ausgelaugte, kapriziöse «Fedora».