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Filmförderung gekürzt Brasiliens Präsident will nur noch braves Kino

Nur noch Helden und Familienfilme im Kino? Während die Welt das Filmschaffen Brasiliens feiert, macht die rechtskonservative Regierung ihm den Garaus.

Cannes, Berlin, Locarno, Preise und Einladungen noch und noch: Der brasilianische Film blüht. Seit rund 10 Jahren wird er im In- und Ausland gefeiert. Unter anderem dank einem engagierten Fördersystem durch die staatliche Filmagentur ANCINE.

Drei junge Männer mit Pistolen stehen vor einem Metallgebilde.
Legende: «City of God» (2002) von Fernando Meirelles und Kátia Lund: U.a mit diesem Film begann der breite Erfolg des brasilianischen Kinos. Frenetic

Doch jetzt will der rechtskonservative Präsident Jair Bolsonaro all der Vielfalt und den diversen Geschichten, die im brasilianischen Film erzählt werden, einen Riegel schieben.

Er wolle dafür sorgen, dass nur noch Filme gefördert werden, die traditionelle Werte abbilden, liess er verlauten. Oder Filme über brasilianische Helden wie Fussball-Gott Neymar.

Filmförderung auf wackligen Beinen

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Das Kulturministerium hat Jair Bolsonaro schon gleich zum Amtsantritt im Januar 2019 abgeschafft. Nun wurde die staatliche Filmförderung für 2020 um fast die Hälfte gekürzt.

Doch Bolsonaro kürzt dem Filmschaffen nicht nur die Gelder – sondern will es auch ideologisch auf Linie bringen. In Zukunft soll eine Art «ideologischer Filter» die Vergabe von Geldern regeln. Politisch kritische Filme oder Filme zu LGBT-Themen beispielsweise könnten dann kaum mehr produziert werden.

Durch Nichtstun lahmgelegt

Wobei – direkt etwas verhindert oder verboten hat Präsident Bolsanaro noch nicht. «Was die Regierung seit 14 Monaten tut, ist – nichts», sagt Eduardo Valente, der Brasilien-Delegierte für die Berlinale. Aber genau dieses Nichtstun ist verheerend.

Die staatliche Filmagentur ANCINE ist lahmgelegt, weil drei Direktoren-Posten nicht besetzt werden. Weil niemand entscheidet, welche Filmprojekte gefördert werden sollen. Weil niemand weiss, wie's weitergeht.

Zwei Frauen stehen an einer Strasse, der Hintergrund ist verschwommen.
Legende: «The Invisible Life of Eurídice Gusmão» (2019): Weltweit wurde der Film über zwei Schwestern gefeiert, so auch in Cannes. In Brasilien entfernte ANCINE Plakate von ihrer Webseite und an ihrem Hauptsitz – wohl weil im Film Sex zu sehen ist und Abtreibung thematisiert wird. Trigon Film

Die Branche ist in Schockstarre, sagt der brasilianisch-algerische Regisseur Karim Aïnouz, der letztes Jahr mit «The Invisible Life of Eurídice Gusmão» in Cannes in der Kategorie «Un Certain Regard» in Cannes gewann.

«Die Leute müssen erst einen Umgang finden mit dieser absurden Situation. Es ist schwierig, Widerstand zu leisten gegen einen Zustand, der so unklar ist.»

Vielfalt dürfte verschwinden

Doch warum will die Bolsonaro-Regierung die Filmbranche ausbremsen und ihr den Geldhahn zudrehen? Regisseurin Anna Muylaert hat 2015 mit ihrem Film «The Second Mother» an der Berlinale den Publikumspreis gewonnen.

Sie ist überzeugt: Weil die Filmemacher unabhängig sind und ihre Meinung äussern. «Die Filmszene ist vereint im Widerstand gegen die rechtskonservative Regierung.»

Deshalb will die Regierung die Filmemacher daran hindern, Filme zu machen, Festivals zu besuchen – und so im Ausland eine Plattform zu bekommen für Kritik.

Die befürchtete Lücke

Vorläufig wird das Publikum wenig merken von den erschwerten Bedingungen in Brasilien. Die brasilianischen Filme, die jetzt ins Kino kommen, wurden noch unter der vorherigen Regierung bewilligt und finanziert.

Aber in zwei bis drei Jahren werde es wohl eine Lücke geben, befürchtet Eduardo Valente. Der brasilianische Film könnte längerfristig in seiner Vielfalt verstummen.

Ein Mann trägt ein Mädchen auf dem Arm über eine Strasse.
Legende: Seu Jorge in «Marighella» (2019): Das Biopic und Regiedebüt von Wagner Moura («Narcos») war Brasilien zu politisch – trotz Weltpremiere an der Berlinale wurde die Premiere in Brasilien abgesagt. Globo Filmes

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 17.02.2020, 17:20 Uhr

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