Cannes, Berlin, Locarno, Preise und Einladungen noch und noch: Der brasilianische Film blüht. Seit rund 10 Jahren wird er im In- und Ausland gefeiert. Unter anderem dank einem engagierten Fördersystem durch die staatliche Filmagentur ANCINE.
Doch jetzt will der rechtskonservative Präsident Jair Bolsonaro all der Vielfalt und den diversen Geschichten, die im brasilianischen Film erzählt werden, einen Riegel schieben.
Er wolle dafür sorgen, dass nur noch Filme gefördert werden, die traditionelle Werte abbilden, liess er verlauten. Oder Filme über brasilianische Helden wie Fussball-Gott Neymar.
Durch Nichtstun lahmgelegt
Wobei – direkt etwas verhindert oder verboten hat Präsident Bolsanaro noch nicht. «Was die Regierung seit 14 Monaten tut, ist – nichts», sagt Eduardo Valente, der Brasilien-Delegierte für die Berlinale. Aber genau dieses Nichtstun ist verheerend.
Die staatliche Filmagentur ANCINE ist lahmgelegt, weil drei Direktoren-Posten nicht besetzt werden. Weil niemand entscheidet, welche Filmprojekte gefördert werden sollen. Weil niemand weiss, wie's weitergeht.
Die Branche ist in Schockstarre, sagt der brasilianisch-algerische Regisseur Karim Aïnouz, der letztes Jahr mit «The Invisible Life of Eurídice Gusmão» in Cannes in der Kategorie «Un Certain Regard» in Cannes gewann.
«Die Leute müssen erst einen Umgang finden mit dieser absurden Situation. Es ist schwierig, Widerstand zu leisten gegen einen Zustand, der so unklar ist.»
Vielfalt dürfte verschwinden
Doch warum will die Bolsonaro-Regierung die Filmbranche ausbremsen und ihr den Geldhahn zudrehen? Regisseurin Anna Muylaert hat 2015 mit ihrem Film «The Second Mother» an der Berlinale den Publikumspreis gewonnen.
Sie ist überzeugt: Weil die Filmemacher unabhängig sind und ihre Meinung äussern. «Die Filmszene ist vereint im Widerstand gegen die rechtskonservative Regierung.»
Deshalb will die Regierung die Filmemacher daran hindern, Filme zu machen, Festivals zu besuchen – und so im Ausland eine Plattform zu bekommen für Kritik.
Die befürchtete Lücke
Vorläufig wird das Publikum wenig merken von den erschwerten Bedingungen in Brasilien. Die brasilianischen Filme, die jetzt ins Kino kommen, wurden noch unter der vorherigen Regierung bewilligt und finanziert.
Aber in zwei bis drei Jahren werde es wohl eine Lücke geben, befürchtet Eduardo Valente. Der brasilianische Film könnte längerfristig in seiner Vielfalt verstummen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 17.02.2020, 17:20 Uhr