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Dokfilm «Cascadeuses»: Stuntfrauen, Heldinnen, Opfer
Aus Künste im Gespräch vom 17.11.2022. Bild: Bande à part Films
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Neu im Kino «Cascadeuses»: Was Stuntfrauen einstecken, bleibt im Schatten

Sie lassen sich anfahren, verprügeln, die Treppe hinunterstossen: Im Film verkörpern Stuntfrauen viel häufiger reine Opfer als ihre männlichen Kollegen. Der Schweizer Dokumentarfilm «Cascadeuses» von Elena Avdija geht den Opferstunts auf den Grund.

Petra Sprecher ist im richtigen Leben ausgesprochen wehrhaft und schlagfertig – nicht nur beim Reden. Seit Jahren arbeitet sie in Los Angeles als Stuntfrau.

Angefangen hatte sie beim Basler Jugendzirkus Basilisk. Als Trapez-Künstlerin mit dem Cirque de Soleil kam sie als Star in der Welt herum.

Frau mit kurzen Haaren, unten dunkel oben hell lockig, schminkt sich im Spiegel.
Legende: Petra Sprecher arbeitete unter anderem in «Aeon Flux» als Stuntfrau und Trainingspartnerin für Charlize Theron. Bande à part Films

Später ging sie nach Los Angeles und flog dort als Stuntfrau durch die Lüfte, in Produktionen wie «Flight» mit Denzel Washington, in «Pirates of the Caribbean» oder in «Eagle Eye».

Weibliche Opfer gesucht

Aber bald wurden die «Flying Acts» in Hollywood rarer, gesucht waren allmählich vielmehr weibliche Opfer für Kriminalfilme: «Da bist du dann die, die vergewaltigt, verprügelt, die Treppe hinunter gestossen wird …», sagt Petra Sprecher.

Plötzlich ist nicht mehr die souveräne Eleganz der Zirkus-Artistin gefragt, sondern eine überzeugende Opferhaltung. Keine durchgestreckten Knie, sondern glaubwürdiges Zusammensacken.

Filmreif verprügelt

Die Erfahrung, die Petra Sprecher in Los Angeles erst nach ein paar Jahren machte, ist Alltag für die französischen Stuntfrauen, die «Cascadeuses». Sie stehen mit Petra Sprecher im Zentrum des Schweizer Dokumentarfilms von Elena Avdija.

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Trailer zu «Cascadeuses»
Aus Kultur Extras vom 18.11.2022.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 25 Sekunden.

Ursprünglich sei sie für ihr Filmprojekt von der Faszination für die taffe Arbeit der Stuntfrauen ausgegangen, erinnert sich Elena Avdija lachend.

Aber dann habe sie schnell gemerkt, dass diese vorwiegend weibliche Gewalt-Opfer zu verkörpern haben. Und dass bisher kaum jemand diese doch bezeichnende Seite der Filmindustrie wahrgenommen habe.

Die Stuntfrauen im Schatten

Sie habe sich darum für das interessiert, was im Dunkeln bleibe, sagt Elena Avdija. Alles, was so grandios fürs Kino gefilmt werde, erfordere, dass die Stuntleute im toten Winkel bleiben: «Die Stunts sind Teil der Kinomagie. Wie sie gemacht werden, soll unsichtbar bleiben – darum verharren die Stuntleute im Schatten. Und im Schatten des Schattens finden sich die Stuntfrauen.»

Mehrere Frauen in Turnhalle halten Stöcke hoch, nach vorne gebeugt. Ein junger Mann dazwischen.
Legende: Hartes Training: Der Dokumentarfilm verdeutlicht auch, wie viel harte Arbeit hinter den Stuntszenen steckt. Bande à part Films

Es stelle sich schnell die Frage, wer denn vor allem Gewalt erleide und wie der weibliche Körper auf der Leinwand dargestellt werde, sagt Elena Avdija. In ihrem Dokumentarfilm «Cascadeuses» zeigt sie das mit einer erschlagenden Montage aus Opferstunts in einer ganzen Reihe von europäischen Filmen.

Das Drehbuch gibt das Körperbild vor

Frauen werden vergewaltigt, verprügelt, an den Haaren herumgeschleift, überfahren oder erwürgt. Das sind nicht etwa Szenen aus extremen Filmen, sondern aus ganz normalen Kino- und Fernsehdramen.

rechts ältere Frau mit zusammengebundenem Haar im T-Shirt, links Mann, Hände in der Luft. Auf einem Parkplatz.
Legende: Das Skript gibt vor – die Stuntfrauen führen aus. Im Film stehen die Stuntfrauen Virginie, Petra und Estelle im Zentrum. Bande à part Films

Natürlich verstärken die Stuntfrauen mit ihrem heroischen Einsatz diese Körperbilder. Das sieht auch die Dokumentarfilmerin so. Aber es stelle sich die Frage der Ermächtigung. Die Stuntfrauen hätten keinen Einfluss auf die Drehbücher, sie wüssten oft bis kurz vor Drehbeginn einer Szene nicht einmal, was genau gefordert sei.

Die Kontrolle darüber, wie der weibliche Körper generell inszeniert und repräsentiert werde, liege bei den Filmemachern und den Drehbuchautoren, sagt Elena Avdija. Sie spricht in der männlichen Form: «Das sind nach wie vor männlich dominierte Berufe.»

Kinostart: 17.11.2022

SRF 2 Kultur, Künste im Gespräch, 17.11.22, 9:03 Uhr.

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