Seit dem Ende der «Avengers»-Reihe herrscht Angst im Marvel Cinematic Universe (MCU). Phase vier im Masterplan von Kevin Feige, dem Kopf der Marvel Studios, scheint im Kino nicht richtig auf Touren zu kommen.
Freilich hat das auch etwas mit Corona und der Lancierung von Disneys Streaming-Plattform als Verbreitungsmöglichkeit von Marvel-Inhalten zu tun. Auf dieser wurde die neuste Phase, die neue Charaktere ins Zentrum rücken will, nämlich vor einem Jahr mit der Miniserie «WandaVision» eingeläutet.
Deren Titelfigur Wanda Maximoff mutiert darin zur zwielichtigen Red Witch, um sich ihren Mutterwunsch zu erfüllen.
In «Doctor Strange and the Multiverse of Madness» muss die monströs-mütterliche Hexe nun auf der Leinwand als Superschurkin herhalten. Wobei die Grenzen zwischen Gut und Böse diesmal durchaus durchlässig sind: Nicht zuletzt weil ihr zaubernder Antipode Stephen Strange auf seiner Heldenreise durch diverse Parallelwelten von seinen eigenen Dämonen heimgesucht wird.
Teuflischer Tanz der Alter Egos
Uneingeweihten sei gesagt: Doctor Strange ist ein von Benedict Cumberbatch hingebungsvoll gespielter Magier, der seit 2016 Marvels Kinouniversum bereichert. Und der für dessen Expansion massgeblich verantwortlich ist, weil dieser den vertrauten Erzählkosmos mit einem Zauber für alternative Welten durchlässig machte.
Seit der Etablierung des sogenannten Multiversums gilt: Anything goes . Zum Beispiel das Aufeinandertreffen dreier Spinnenmänner, welches im letzten «Spider Man»-Abenteuer voll ausgekostet wurde.
Zerstückelt und frisch zusammengewürfelt
Nun begegnet Stephen Strange anderen Versionen seiner selbst. Gemäss der Weisheit, dass der eigene Charakter unser aller Schicksal ist, unterscheiden sich die meisten nur unwesentlich von ihm.
Umso mehr fallen dem Meister der mystischen Künste, der beim Sprung von einer Welt in die nächste meist zerstückelt und frisch zusammengewürfelt wird, die eigenen Schattenseiten auf. Was ihn zur Erkenntnis bringt: Die Hölle, das sind nicht nur die anderen.
Begleitet wird Strange auf seinem Trip ins Spiegelkabinett der Parallelwelten von einer Newcomerin namens America Chavez. Die junge Dame mit dem symbolschwangeren Namen besitzt die seltene Gabe, Portale zwischen den einzelnen Universen zu kreieren.
Ob sich diese letztlich als Segen oder Fluch erweisen, weiss der Teufel. Und natürlich Regisseur Sam Raimi, der für seinen guten Draht zur Unterwelt bekannt ist.
Inszeniert vom Meister des Makabren
Einen Namen machte sich Raimi 1981 mit dem Horrorklassiker «The Evil Dead» («Tanz der Teufel»), der wegen seiner drastischen Darstellung von Gewalt in Deutschland bis 2016 verboten war.
Dass der Amerikaner mit dem Hang zu makabrem Humor auch als Mainstream-Regisseur taugt, bewies er viel später. Genauer: in den Nullerjahren mit der ersten, höchst erfolgreichen «Spider Man»-Trilogie von Sony Pictures.
Ein Hauch Horror
Jetzt soll der 62-Jährige für Marvel die Kohlen aus dem Feuer holen. Angelockt wurde Raimi vom Versprechen, einen Hauch Horror ins Superhelden-Universum bringen zu dürfen. Genau das hat der Genre-Profi getan – mit sicherem Gespür für das, was ihm der Mutterkonzern Disney durchgehen lassen würde.
Natürlich wirkt es «strange», wenn der Titelheld plötzlich an einen Zombie erinnert. Oder so, als habe man ihn durch einen Fleischwolf gedreht. Doch es sind exakt diese Szenen, die den 28. MCU-Film über das Durchschnittsniveau des Hauses hinausheben.
Allerdings heisst das nicht viel, denn nach Flops wie «Eternals» ist dieses jüngst deutlich gesunken.
Kinostart: 4.5.2022