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Neu im Kino Kaurismäki kehrt mit «Fallen Leaves» auf die Leinwand zurück

Der finnische Filmregisseur liefert damit eines seiner typisch lakonischen Melodramen – eine stille Liebesgeschichte.

Mehr als sechs Jahre lang hat der finnische Lakoniker Aki Kaurismäki keinen Film mehr gemacht. Jetzt ist er wieder da, mit einer Art Hommage an sich selbst. «Fallen Leaves» heisst Kaurismäkis jüngster Kinotraum – «gefallene Blätter».

Typisch Kaurismäki

Ein einsamer Mann trifft in Helsinki auf eine einsame Frau, und die beiden finden wortlos Gefallen aneinander. Er ist Sandstrahler in einem Gusswerk, Alkoholiker und Lakoniker, eine klassische Kaurismäki-Figur.

Szene im Kino, rote Sessel, eine Frau und ein Mann sitzen nebeneinander, der Mann sieht die Frau an
Legende: Er ist wieder da: Mit Ansa (links) und Holappa bringt der Regisseur wiederum zwei typische Kaurismäki-Figuren ins Kino. Filmcoopi

Sie arbeitet zu Beginn in einem grossen Lebensmittelladen, nimmt abgelaufenes Essen mit und wird darum entlassen, begleitet von gleich zwei Kolleginnen, die solidarisch mit ihr gehen. Typische Kaurismäki-Frauen.

Der neue Kaurismäki ist der alte. Er ist wieder da, wir sind zuhause.

Frau mit blonden Haaren sitzt in einem Zug, sie hat ihren Hund dabei und er sitzt neben ihr
Legende: Ansa (Alma Pöysti) nimmt einen streunenden Hund auf. Filmcoopi

Stimmung: melancholisch, aber aufheiternd

Es stimmt eben schon: Auch die traurigsten Kaurismäki-Filme haben uns immer irgendwie glücklich gemacht. Wie die finnischen Jukebox-Schlager und Karaokelieder, die auch dieses Mal wieder ihren Anteil haben an der Stimmung des Films. Die gefallenen Blätter, das sind diese zwei Menschen, die zueinander möchten, daran aber vom Schicksal die längste Zeit gehindert werden.

Beim ersten gemeinsamen Ausgang schauen sich die beiden Jim Jarmuschs Zombie-Komödie «The Dead Don’t Die» (2019) an. Sie versichert danach, der Film habe ihr gefallen, die Polizisten hätten einfach keine Chance gehabt: «zu viele Zombies».

Frau links und Mann rechts geben sich die Hand, im Hintergrund ein altes Filmplakat
Legende: Überall hängen alte Filmplakate: in Wohnungen, Umkleideräumen, an Busstationen. Sie dürften allesamt aus der privaten Sammlung des Filmemachers stammen. Filmcoopi

Sie will ihm ihren Namen erst beim zweiten Treffen verraten, gibt ihm aber ihre Telefonnummer. Er verliert den Zettel mit ihrer Telefonnummer mit dem nächsten Windstoss. Weil er nun weder Namen noch Nummer von der Frau hat, wartet er Nacht für Nacht vor dem Kino.

Aki Kaurismäki

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Aki Kaurismäki
Legende: KEYSTONE / DPA / JOERG CARSTENSEN

Der mehrfach preisgekrönte Regisseur ist 1957 in Orimattila, Finnland, geboren und lebt heute in Portugal. Er ist bekannt für seine kargen Dialoge und seinen skurrilen Humor.

Seine letzten Spielfilme waren «Die andere Seite der Hoffnung» (2017), «Le Havre» (2011) und «Lichter der Vorstadt» (2006).

Das führt zum besten Kaurismäki-Moment dieses Films. Denn sie kommt tatsächlich wieder vorbei, lange nach Kinoschluss, kurz nachdem die Leuchtschrift ausgeschaltet wurde und der Mann aufgegeben hat. Das Häufchen Zigarettenstummel, das er hinterlassen hat, zaubert ein Lächeln auf ihr Gesicht.

Melodramatik pur

Als es mit der Einladung zum Essen schliesslich klappt, schickt die Frau den Mann gleich wieder weg. Alkoholiker hatte sie zu viele in ihrem Leben, das will sie nicht mehr. Den zweiten Teller, den sie extra für das geplante gemeinsame Abendessen gekauft hat, wirft sie entschlossen in den Abfallkübel, samt Besteck.

Hintergründe zum Filmtitel

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Den Titel «Kuolleet lehdet» (Fallen Leaves) hat Kaurismäkis Film vom Chanson «Les feuilles mortes». Und dessen Text wiederum stammt von Jacques Prévert.

Yves Montand hat es mit der Musik von Joseph Kosma 1946 zum Hit gemacht hat. Am Ende von Kaurismäkis Film ist aber natürlich die finnische Version von Olavi Virta von 1958 zu hören.

«Fallen Leaves» ist die Quintessenz von Kaurismäkis lakonischer Kunst, mit urkomischen Kurzdialogen, kleinen Kalauern, sozialem Realismus in surreal schöner Farbgebung und mit einer reduzierten Alltagsmelodramatik, alles unter Betonung des Melo und bloss angetupftem Drama.

Der Film wirkt wie ein liebenswerter Abschied. Als habe der alte Baum Kaurismäki noch einmal ein paar besonders schöne Blätter fallen lassen, in seinem eigenen Herbst. Dabei ist der Mann gerade mal 66 Jahre alt.

Kinostart: 14.9.2023

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktuell, 13.09.2023, 8:06 Uhr.

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