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Neu im Kino Martin Suter wird vom Schriftsteller zum Hauptdarsteller

«Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit»: Das verspricht ein Dokumentarfilm über den Schweizer Bestsellerautor.

Der deutsche Regisseur André Schäfer hat einen Film über Martin Suter gedreht: ziemlich souverän, sehr unterhaltsam und bisweilen überraschend.

Suter bleibt darin der Meister der Geschichten, auch seiner eigenen. In einer der ersten Einstellungen steht der Autor vor der Kamera und sagt die beiden Sätze, die zum Titel des Films geworden sind: «Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit».

Der gleiche Suter sagt auch: «Die Fantasie stimmt ja meistens mehr als die Realität». Das bezieht er zwar auf die Arbeit an seinen Romanen, aber es gilt natürlich auch für diesen Dokumentarfilm, der von einer freundschaftlichen Komplizenschaft zwischen dem Filmemacher und seinem Sujet geprägt ist.

Zwischen Fiktion und Dokumentation

André Schäfer lässt Suter erzählen, begleitet ihn und seine Frau in seine Wohnung in Marrakesch, besucht mit ihm den Zürcher Wohnblock aus seiner Kindheit, trifft Freundinnen und Weggefährten.

Darunter sind Autorenkollege Benjamin von Stuckrad-Barre, Fussballer Bastian Schweinsteiger und auch Philipp Keel, der Sohn und Nachfolger von Diogenes- (und Suter-)Verleger Daniel Keel.

Martin Suter steht im Garten und liest ein Buch.
Legende: Kein klassisches Porträt: Der Dokumentarfilm setzt zuweilen auch auf Fiktion, um dem Publikum die Person hinter den berühmten Geschichten näherzubringen. DCM

Gleichzeitig aber lässt Schäfer Szenen aus Suters Romanen auf der Leinwand lebendig werden. Die Übergänge von der dokumentarischen Ebene zur inszenierten Fiktion sind dabei fliessend.

Fakten oder Fassade?

Wenn Suter erklärt, wie wichtig für ihn die Recherche der Fakten und der Details sei, begründet er das damit, dass erst die überprüfbare Realität in einer Geschichte das Fantastische zu tragen vermöge.

Er beneide Leute, die leichtgläubig seien, sagt Suter. Das ist mehr als eine ironische Bemerkung. Es ist eine Warnung und eine Gebrauchsanweisung – sowohl für Suters Bücher als auch für den Film.

Die lächelnde Ironie des Autors, der eher scheu und zurückhaltend wirkt, kann beides sein: die Wahrheit über Martin Suter oder seine sorgfältig aufgebaute Fassade.

Das zeigt ein erhellender Moment, in dem Suter erzählt, wie ihn Diogenes-Verleger Daniel Keel einst fragte, ob er, der erfolgreiche Werbetexter, immer schon Buchautor habe werden wollen. Daraufhin habe Suters Frau eingeworfen, ihr Mann habe nicht nur Autor, sondern immer schon Bestsellerautor werden wollen. Das nehme er ihr bis heute übel, so Suter.

Auch dunkle Themen angesprochen

Das Spiel mit der Ironie hilft Suter und Filmemacher Schäfer dabei, die härteren Momente in der Biografie des Autors angemessen darzustellen: etwa den frühen Tod seines Adoptivsohnes. Da wird auch die Bildebene plötzlich ganz direkt, mit eigenen Aufnahmen der Familie Suter aus Guatemala, dem einzigen Archivmaterial im ganzen Film.

Martin Sutter auf seinem Arbeitstisch.
Legende: Vier Jahre Arbeit stecken in dem Film, der Einblicke in die Gedanken- und Arbeitswelt des berühmten Schweizer Schriftstellers gibt. DCM

Und noch eine Bühne gibt es, auf der Suter plötzlich ohne seinen leise lächelnden Seelenmantel auftritt: Die gemeinsamen Auftritte mit Musiker Stephan Eicher, der Suter einst um Texte gebeten hat. Diese Szenen blitzen auf wie eine Oase der Sicherheit. Die Verbindung von Suters poetischen Texten und Eichers Musik erzeugt live und in der Interaktion der beiden eine eigene Wahrheit.

«Alles über Martin Suter. Ausser die Wahrheit» demonstriert, dass Sorgfalt, Fleiss, Handwerk und eine kluge Konstruktion etwas erzeugen können, das über den Alltag hinausgeht: Eine einleuchtende Wahrheit, die allerdings nicht die einzige sein muss.

Kinostart: 25.08.2022

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 24.08.2022, 17:20 Uhr

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