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Neu im Kino «No Bears»: Jafar Panahi dreht weiter – trotz Berufsverbot

Der iranische Regisseur Jafar Panahi arbeitet unter Lebensgefahr. Trotzdem ist ihm mit «No Bears» ein grossartiger, witziger und zugleich tieftrauriger Film gelungen.

Der iranische Filmemacher Jafar Panahi ist seit über zehn Jahren mit einem Berufsverbot belegt und darf den Iran nicht verlassen. Trotzdem dreht er Film um Film – im Land verboten, im Ausland bejubelt und ausgezeichnet.

2011 machte er mit dem Handy im Hausarrest «This Is Not a Film», 2015 drehte er als Taxifahrer mit der Dashcam den Film « Taxi Teheran ». Sein neuester Film heisst «No Bears».

Jafar Panahi spielt einen fiktiven Jafar Panahi

Der Film beginnt in einer türkischen Stadt vor einer Bar. Ein iranisches Paar streitet sich – er hat einen gestohlenen Pass für sie, damit sie nach Frankreich fliehen kann. Sie aber weigert sich, den Pass zu nehmen, weil er keinen hat und sie allein fliehen müsste.

Plötzlich hört man aus dem Off: «Cut!» Ein Assistent erscheint und fragt direkt in die Kamera: «Wie war's?» – «Nicht schlecht», hört man. Das ist Regisseur Jafar Panahi, er sitzt in einem kargen Raum am Computer und verfolgt die Dreharbeiten aus der Ferne.

Was nun folgt, ist keine autobiografische Dokumentation über seine Situation, das wäre dem gewitzten iranischen Filmemacher zu simpel. Jafar Panahi spielt in einer fiktiven Geschichte den Regisseur Jafar Panahi.

Von Teheran ist er in ein Dorf nah an der türkischen Grenze gereist, von wo aus er die Dreharbeiten in der grenznahen türkischen Stadt per Computer mitverfolgt und dirigiert.

Ein Film, zwei Geschichten

Es entwickeln sich zwei Geschichten: Der Film im Film erzählt die Geschichte des Liebespaares, das nach zehn Jahren im türkischen Exil endlich nach Frankreich fliehen will. Und der Film – mit Regisseur Jafar Panahi – erzählt ein Dorfdrama um eine Frau, die dem einen Mann versprochen ist, aber den anderen Mann liebt.

Eine Frau mit dunklen Haaren neben einem Auto, am Rand ein Mann.
Legende: Der Film erzählt die Geschichte einer Iranerin, die nach Frankreich flüchten will. Filmcoopi

Der anwesende Regisseur wird wegen eines Fotos, das er angeblich geschossen hat, immer mehr in das Drama verwickelt. Um Grenzüberschreitungen geht es in beiden Geschichten, wörtlich wie auch figurativ – und um die Angst.

Bald schleicht sich die Realität unerbittlich in die beide fiktiven Liebesgeschichten ein – das Liebespaar, das in der Türkei vor der Kamera steht, möchte tatsächlich fliehen. Und Regisseur Panahi, so nah an der iranisch-türkischen Grenze, sieht sich dem wachsenden Misstrauen der Dorfbevölkerung gegenüber.

Bären gibt es keine, nur die Angst

Ihre Traditionen seien uralt und meistens im Aberglauben begründet, erklärt ihm einmal ein Dorfbewohner. So wie die Bären, die es angeblich in der Gegend habe. Das seien erfundene Geschichten, um der Bevölkerung Angst zu machen, weil ihre Angst gut für andere sei.

Bären gibt es keine. Die ständige Angst vor dem Unrechtsregime aber, die ist immer da.

Ein Filmer hinter einer Glastüre.
Legende: Trotz Lebensbedrohung und Berufsverbot im Iran: Jafar Panahi wird weiterdrehen. Filmcoopi

In jedem seiner Filme lotet Jafar Panahi seine Situation spielerisch und formal neu aus, die Werke spiegeln die widrigen Umstände, in denen sie entstehen, sind Reflexionen darüber, was Filmemachen bedeutet und wie politisch Film sein kann und muss. Kein Wunder, passen seine Filme dem iranischen Regime nicht.

Letztes Jahr, kurz nachdem sein neuester Film «No Bears» fertig war, wurde Panahi in Haft genommen – diesen Februar hat man ihn nach einem Hungerstreik wieder entlassen. Aber trotz Lebensbedrohung und Berufsverbot: Panahi wird weiterdrehen.

Denn filmen, das ist für ihn leben. Und leben heisst für Jafar Panahi filmen, wie der grossartige und trotz allen filmischen Witzes tieftraurige Film «No Bears» eindrücklich zeigt.

Kinostart: 27. Juli 2023

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur Aktualität, 27.07.2023, 17:10 Uhr

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