Lola, Bella und Michelle. Drei Frauen, die aus verschiedenen Gründen notgedrungen in die Prostitution geraten sind. Im Dokumentarfilm «Precious – Liebenswert» erzählen sie, was das mit ihnen gemacht hat.
Lola ist mit 16 Jahren an die nigerianische Mafia verkauft und in Europa zur Prostitution gezwungen worden. Bella landet durch ihren Ex-Freund und wegen ihrer Heroinsucht auf dem Strassenstrich. Und Michelle flieht nach der Trennung von ihrem alkoholkranken Mann mit ihren Kindern in ein Frauenhaus.
Die Arbeit im Bordell war für sie ein Weg aus der Armut: «Entweder du gehst sozial oder finanziell den Bach runter oder du bietest den Kindern eine Zukunft und nimmst es auf deine Schulter», sagt Michelle.
Neben den Frauen kommen Menschenrechtsexpertinnen, ein Psychologe, Freier und ein Bordellbetreiber zu Wort. Damit will Regisseurin Carola Mair unterschiedliche Aspekte der Prostitution aufzeigen.
Das Thema sorgt für Kontroversen. Etwa bei Beatrice Bänninger, Leiterin der Zürcher Beratungsstelle für Sexarbeitende Isla Victoria. Sie findet, dass die Darstellungen das Stigma von Sexarbeitenden eher verstärken. «Die Opferthematik wird im Film sehr in den Vordergrund gestellt. Aber viele Prostituierte und Sexarbeiterinnen sehen sich nicht als Opfer. Es gibt keinen Grund, diese Arbeit zu verteufeln.»
Sexarbeit solle mehr geschützt werden, so Bänninger, damit die negativen Seiten der Prostitution und im Erotikgewerbe bekämpft werden können.
Den Frauen eine Stimme geben
Regisseurin Carola Mair tut sich mit dem Begriff Sexarbeitende in Bezug auf ihren Film schwer, weil «Sexarbeit» primär für Menschen stehe, die selbstbestimmt arbeiten. Darum ginge es ihr nicht. Vielmehr wolle sie Menschen eine Stimme geben, «die ganz unten sind».
Der Fokus im Film liege auf Abhängigkeiten in Prostitution aufgrund von Drogen, Armut und Frauenhandel. «Ich wollte keine glücklichen Sexarbeiterinnen oder Prostituierte porträtieren oder Frauen in noblen Escortservices.»
Debatte Sexkaufverbot
Ganz unten angekommen, so hat sich auch Bella gefühlt. In der Dokumentation erzählt sie davon, wie sie psychisch gelitten hat: «Ich konnte wie einen Schalter umstellen, sodass innerlich alles tot in mir war. Ich habe dann Jahre gebraucht, bis ich wieder einen Zugang zu meinen Gefühlen hatte.»
Durch Geschichten wie diese könne die Dokumentation als «Pro Sexkaufverbot»-Film aufgefasst werden, so Beatrice Bänninger. Auch in der Schweiz wird debattiert, ob der Kauf von Sexarbeit wie in anderen Ländern verboten werden soll.
Bänninger ist gegen ein Verbot: «Bei einem Verbot suchen sich Freier andere Wege oder gehen ins Ausland. Auch während der Coronazeit lief die Prostitution weiter, aber im Verborgenen. Damit wird die Situation für Sexarbeitende viel schwieriger.»
In die Debatte zum Sexkaufverbot will sich Carola Mair nicht einmischen. Das solle die Politik unter sich ausmachen. Ihr sei es wichtig gewesen, ein Bewusstsein für diese Art von Arbeit zu schaffen.
Trotz der ungeschönten Einblicke in die Abgründe des Rotlichtmilieus, zeigt sich der Film am Ende hoffnungsvoll. Zwei der drei Porträtierten sind aus- oder umgestiegen.
Wie Lola, die es ohne Unterstützung wohl nicht geschafft hätte: «Ich war den Leuten, die mir geholfen haben, wichtig. Sie haben sich für ein besseres Leben für mich bemüht. Jetzt kann ich vorausblicken.»
Kinostart: 23.11.2023