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Radiokritik zu «Shang Chi»
Aus Musik und Sport vom 03.09.2021. Bild: Disney
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 32 Sekunden.
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Neu im Kino: «Shang-Chi» Kung Fu im Kino kann durchaus kritisch sein

Beim Marvel-Superheldenfilm «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» trifft Pop auf Politik.

Der Marvel-Superheldenfilm «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» ist ein gutes Beispiel, dass heutzutage bei Blockbustern, die normalweise nur unterhalten sollen, Pop auch politisch sein kann.

Das Spektakel setzt sich auf inhaltlicher, produktioneller und formaler Ebene mit gesellschaftspolitischen Problemen auseinander. Auch wenn es die Story auf den ersten Blick nicht vermuten lässt.

Ein Aussenseiter wird zum Held

Shang Chi (Simu Liu) arbeitet mit seiner besten Freundin Katy (Awkwafina) in einem Hotel in San Francisco, wo sie Autos einparken. Wenn sie nicht arbeiten, hängen sie in Karaoke-Bars ab und trinken einen über den Durst.

Eine Frau und ein Mann schauen in ein Handy
Legende: Awkwafina und Simu Liu spielen Katy und ihren besten Freund Shang Chi. Disney.com

Mit dem lockeren Leben ist Schluss, als sie von fiesen Typen in einem Stadtbus überfallen werden.

Die Angreifer wollen etwas von Shang Chi: einen kleinen Anhänger, den er um den Hals trägt. Aber der Plan geht nach hinten los: Shang Chi erweist sich als meisterhafter Kämpfer und verteidigt sich mühelos.

Ein Mann steht in einer Tempelanlage
Legende: Shang Chi-Darsteller Simu Liu kann Taekwondo und Wing Chun Kung Fu. Disney.com

Ein Killer und Kung-Fu-Könner

Katy erfährt zu ihrer Überraschung: Shang Chi wurde als Kind in China von seinem Vater Wenwu (Tony Leung), ein Unsterblicher, der die mächtigen zehn Ringe trägt, zu einem Killer und Martial-Arts-Experten ausgebildet. Vor Jahren aber war er in die USA abgehauen, weil er nicht morden wollte.

Ein Mann mit zehn Ringen am Unteram steht in Kampfpose da.
Legende: Tony Leung spielt einen coolen, vielschichtigen Schurken, der aus Liebe handelt und nicht sieht, dass er damit die ganze Welt gefährdet. Disney.com

Und so reisen Shang Shi und Katy nach Macau, suchen und finden seine Schwester (Meng'er Zhang), die er Jahre nicht gesehen hat. Dann werden alle drei von Wenwu gefangen, der Böses plant, was es zu verhindern gilt.

Pop und Politik

So weit die genretypische Geschichte, die erzählt wird. Sie steht für den Pop, die Politik kommt woanders in Spiel.

Das Problem mit Fu Manchu

Box aufklappen Box zuklappen
Legende: Marvel.com

Als bekannt wurde, das Marvels erster chinesischer Held Shang Chi sein würde, gab es in den sozialen Netzwerken Chinas einen Aufschrei.

Grund: Shang Chi ist zwar ein Chinese, aber in der US-Comicvorlage aus den 1970ern der Sohn von Fu Manchu. Das ist eine Romanfigur von Sax Rohmer, die 1913 das erste Mal auftrat und das Ziel hatte, die Welt zu erobern.

Die Geschichten über Fu Manchu wurde bis in die späten 1960er wiederholt verfilmt. Der Bösewicht wurde ausschliesslich von Weissen dargestellt.

Fu Manchu gilt heute nicht nur in China als Stereotyp, als eine Verkörperung der «Gelben Gefahr». Das ist ein abwertender Begriff aus dem späten 19. Jahrhundert. Wegen der zunehmenden Einwanderung von Chinesen gerade in die USA und dem Boxeraufstand gegen England, wurde China als Bedrohung für die «Weissen» angesehen.

Der Aufschrei in China war also verständlich, auch wenn Marvel die Biografie des Helden längst geändert hatte und im Film Fu Manchu überhaupt keine Rolle spielt.

«Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» besitzt einen fast ausschliesslich chinesischen Cast. Damit ist der Film ein weiteres Beispiel für die Abkehr Hollywoods von überwiegend «weissen» Hauptfiguren.

Ein muskulöser Mann mit freiem Oberkörper in einer Kampfarena.
Legende: Schauspieler Simu Liu wurde in China geboren und wanderte im Alter von fünf Jahren nach Kanada aus. Disney.com

Gleichzeitig setzt er mit den chinesischen Helden ein starkes Zeichen gegen Rassismus, in einer Zeit, in denen es gehäuft gewalttätige Übergriffe auf Asiaten in den USA gibt.

Wo gehöre ich hin?

Inhaltlich diskutiert der Film die Frage nach der kulturellen Identität.

Der Titelheld ist ein junger Chinese, der als Junge nach San Francisco geflohen war, dort erwachsen geworden ist und dann in die fremdgewordene Heimat zurückkehren muss.

Zwei Frauen und Mann in einem Feld.
Legende: Shang Shi, seine Schwester und seine beste Freundin Katy in China. Disney.com

Im Laufe des Films muss er herausfinden, was ihn als Einzelnen ausmacht und welchem Land er sich zugehörig fühlt. Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass die Antwort lautet, dass beide Kulturen für ihn wichtig sind. 

Mix der Kulturen

«Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» zeigt, wie erfrischend es sein kann, wenn die Filmkulturen der USA und China sich treffen und mischen und dabei nicht das Gefühl entsteht, es gehe nur darum, in beiden Filmmärkten gleichzeitig finanziell erfolgreich zu sein.

Das Gesicht einer Frau.
Legende: Michelle Yeoh spielte unter anderem im James-Bond-Film «Tomorrow Never Dies» und «Crouching Tiger, Hidden Dragon» mit. Disney.com

Der Mix ist schon beim Cast ersichtlich: Mit Michelle Yeoh und Tony Leung treffen zwei grosse Stars des chinesischen Kinos auf den Kanadier Simu Liu und die Amerikanerin Awkwafina, beides junge Schauspieler mit chinesischen Wurzeln.

US-Action trifft auf Wuxia

Stilistisch verbeugt sich das US-Superheldenspektakel vor den Wuxia - Filmen, die durch den Erfolg von «Crouching Tiger, Hidden Dragon» (2000) weltweit bekannt geworden sind: Es gibt Mythen, Magie, schöne Kostüme und ballettartige Kämpfe.

Ein Mann und eine Frau kämpfen.
Legende: Diese Kampfszene erzählt den Beginn einer Liebesgeschichte. Die beiden werden später heiraten. Disney.com

Die Kampfszenen des Films sind oft nicht nur einfach spektakuläre Action, sondern erzählen in langen Einstellungen kleine Geschichten. Hongkong-Style eben, choreografiert von Andy Cheng und dem vor kurzem verstorbenen Brad Allan, die zu Jackie Chans Stunt-Team gehören.

Allein durch diesen kreativen Push hebt sich «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» von den Vorgängern aus dem Marvel-Filmuniversum ab.

Eine alte Comic-Zeichnung von einem Kung Fu Kämpfer mit rotem Stirnband.
Legende: Die US-Comicfigur Shang Chi entstand 1973, nachdem der Bruce Lees Film «Enter The Dragon» einen Martial Arts-Boom ausgelöst hatte. Marvel.com

Fazit: «Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings» ist kurzweilig, voller Kung Fu und Kalauer und trotzdem gesellschaftspolitisch aktuell und relevant. Modernes Genrekino. Ansehen!

SRF 3, 03.09.2021, 10.10 Uhr

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