«Die Liebesbeziehungen, die ich einging, waren flüchtig», gesteht Regisseurin Marina Belobrovaja bereits nach wenigen Filmminuten: «Es war die Arbeit, die meine Tage und Nächte füllte. Dabei wusste ich immer schon, dass ich Kinder will.»
Marina Belobrovajas Geschichte ist kein Einzelfall. Schliesslich geht das Bedürfnis, Mutter zu werden, längst nicht bei allen Frauen mit dem Wunsch nach einem Partner einher. Den Weg, den die heute 44-Jährige einschlug, wagen dennoch die wenigsten.
Sie suchte im Internet nach einem Sexualpartner, von dem sie nur etwas wollte: den Samen. Kostenlos. Als Gegenleistung entband sie diesen von sämtlichen künftigen väterlichen Pflichten.

Nüchterner Zeugungsakt
Totale Transparenz ist der in Zürich lebenden, gebürtigen Kiewerin wichtig. Auch gegenüber ihrer eigenen Mutter, mit der sie sich oft via Skype unterhält. «Ich war etwas unentspannt», berichtet sie ihr im Film: «Er zog sich aus und hat sich hingelegt. Dann versuchten wir, einander näher zu kommen.»
Obwohl sie sich das Treffen im Hotelzimmer etwas erregender vorgestellt hatte, war sie mit dessen Ausgang zufrieden: «Schlussendlich hatten wir ganz normalen Sex. Nicht, dass ich ihn besonders genossen hätte. Alles war recht funktionell, aber nicht grundsätzlich schlecht.»

An Konversation nach dem Geschlechtsakt sei der Samenspender nicht interessiert gewesen. Es reiche ihm wohl, «dass Frauen Kinder von ihm wollen», erklärt sie dessen wortkarges Verhalten. 20 habe er schon gezeugt, erfahren wir an dieser Stelle im Film. Eine schlechte Schätzung, wie sich später zeigen wird.
Sind wir nicht alle Geschwister?
Inzwischen ist viel passiert: Die experimentierfreudige Regisseurin brachte eine gesunde Tochter zur Welt. Heute liegt Nellys Geburt bereits gut acht Jahre zurück.

Geklärt haben sich auch deren biologische Verwandtschaftsverhältnisse: Das Erbgut von Nellys Erzeuger steckt nicht in ungefähr 20, sondern 60 Kindern. Eine Information, die Marina Belobrovaja deutlich mehr beunruhigt, als ihre selbstbewusste Tochter.
In der Schule spreche Nelly von ihren 59 Halbgeschwistern mit einer totalen Selbstverständlichkeit», sagt Belobrovaja. Was das medizinisch bedeutet, was das genetisch bedeutet, was das rechtlich bedeutet, ist eine andere Frage.»
Ehe für alle, Kinder für alle?
Die selbstkritische Haltung, welche die Filmemacherin in unserem Interview einnahm, ist auch in ihrer Doku omnipräsent. «Menschenskind!» ist kein Plädoyer für den Alleingang von Single-Müttern. Sondern ein Aufruf an alle, aktiv an der Reproduktions-Diskussion teilzunehmen.

Dass mit allen auch Personen jenseits des heteronormativen Spektrums gemeint sind, versteht sich für die Regisseurin von selbst: «Auch gleichgeschlechtliche Paare müssen darüber mitbestimmen können.»
Denn anders als in vielen anderen europäischen Staaten gilt in der Schweiz nach wie vor: Nur heterosexuelle, verheiratete Paare dürfen Samenbanken in Anspruch nehmen. Ein rechtlicher Rahmen, der viele Fortpflanzungswillige auf abenteuerliche Pfade zwingt.
Kinostart: 27. Mai 2021
5 Kommentare
Sie sind angemeldet als Who ? (whoareyou) (abmelden)
Kommentarfunktion deaktiviert
Uns ist es wichtig, Kommentare möglichst schnell zu sichten und freizugeben. Aktuell sind keine Kommentare unter diesem Artikel mehr möglich.