Von Erich? Wer den nach deutschem Adel klingenden Namen der texanischen Wrestling-Familie kennt, muss im letzten Jahrhundert ein Fan des Showsports gewesen sein. Denn innerhalb der Szene waren Fritz Von Erich und seine Söhne, die bürgerlich Adkisson hiessen, Legenden.
Ausserhalb dieser wurden sie dagegen höchstens als tragische Figuren wahrgenommen. Als Mitglieder einer familiären Schicksalsgemeinschaft, die sich als Opfer eines Fluchs betrachteten, den sie auf die Benützung des Namens Von Erich zurückführten.
Warum Fritz Von Erich den Mädchennamen seiner Mutter für die Karriere im Ring nutzte, verschweigt der Film: Damit weckte der Südstaatler Nazi-Assoziationen, die er mit seinem falschen Bruder Waldo publikumswirksam ausschlachtete.
Die «eiserne Kralle», mit der die Von Erichs ihre Gegner am liebsten erledigten, ist aber im Grunde nur so zu verstehen: Die Umklammerung des Schädels mit einer Hand wurde als Akt deutscher Erbarmungslosigkeit gelesen.
Unheimliche Härte, unglaubliches Pech
In Sean Durkins Drama ist die eiserne Kralle eher als Sinnbild der väterlichen Strenge zu verstehen, mit der Fritz seine Söhne zu Vollstreckern eigener Träume formt. An erster Stelle zu nennen wäre da Kevin, den er wegen dessen Athletik von all seinen Kindern am meisten liebt, wie er am Familientisch unumwunden zugibt: «Das kann sich aber jederzeit ändern. Meine Rangliste ist nicht in Stein gemeisselt.»
Die kalte Strategie, seine Söhne als Rivalen zu erziehen, die um seine Anerkennung wetteifern, raubt einem den Atem. Vor allem, weil man rasch erkennt, dass den Patron nicht einmal tödliche Schicksalsschläge vom eingeschlagenen Kurs abbringen werden. Im Gegenteil: Mit jedem Verlust, beginnend mit dem Unfalltod seines Erstgeborenen Jack, wächst der Drang, den Weltmeister-Titel zu holen.
Mitzuverfolgen, wie trotz rührender brüderlicher Liebe ein Sohn nach dem anderen am erfolgshungrigen Vater zerbricht, ist herzzerreissend. Und das, obwohl Durkin bei der Schilderung des familiären Unglücks sogar einen Todesfall ausklammert: Chris Von Erich, der im Film nicht vorkommt, nahm sich 1991 kurz vor seinem 22. Geburtstag mit einem Kopfschuss das Leben.
Ungekröntes Ensemble
In «The Iron Claw» stehen die vier Brüder im Zentrum, die in den 80er-Jahren für Schlagzeilen sorgten: Neben dem bereits genannten Kevin (verkörpert vom aufgepumpten Star der Filmreihe «High School Musical» Zac Efron) spielen mit: David (Harris Dickinson, der drahtige Hauptdarsteller von «Triangle of Sadness»), Kerry (Charakterkopf Jeremy Allen White, besser bekannt als «The Bear») und Mike (feinfühlig interpretiert von Newcomer Stanley Simons).
Dieses Quartett trägt mit beeindruckenden Schauspielleistungen den Film. Bärenstark besetzt sind aber auch die Nebenrollen: Holt McCallany («Manhunter») brilliert als tougher Patriarch und Maura Tierney («Emergency Room») als seine devote Frau Doris. Ebenfalls sehenswert: Lily James, die als Kevins grosse Liebe Pam völlig andere Vibes verströmt als zuletzt im Mehrteiler «Pam & Mike», der sich an Pamela Andersons Sex-Skandal ergötzte.
«The Iron Claw» ist alles andere als plakativ. Gerade deswegen werden im Kinosaal viele Tränen fliessen. Dass der hochgelobten A24-Produktion die grossen Preise dennoch verwehrt bleiben dürften, passt irgendwie ganz gut zu diesem niederschmetternden Feelbad-Film.
Kinostart: 25.1.2024