Einen Opern-Muffel als Opern-Regisseur: Das hat sich das Teatro Dell’Opera di Roma 2020 mit Ai Weiwei ans Haus geholt.
«Ich interessiere mich nicht für Opern», proklamiert der chinesische Künstler gleich zu Beginn des Dokfilms «Ai Weiweis Turandot». Die Ouvertüre ins Ungewisse wird durch Regisseur Maxim Derevianko begleitet.
Der Opern-Neuling
Im Film geht es um den Entwicklungsprozess der Inszenierung des Opernklassikers von Giacomo Puccini – und um alle Höhen und Tiefen hinter den Kulissen.
Der Gang durch die Gewerke mit Opern-Neuling Ai Weiwei führt auch zu kurligen Situationen. Etwa, wenn sich Ai Weiwei ungelenk und etwas abwesend durch die Requisiten-Werkstätten bewegt. Und auf einmal nicht rabiat wie sonst immer wirkt.
Fachfremde Regie
Fachfremde Regisseurinnen und Regisseure gibt es an Opernbühnen immer wieder. Solche Experimente lohnen sich für Opernhäuser. Denn die Konkurrenz ist gross. Rom beispielsweise konkurriert im eigenen Land mit zwei der besten Bühnen der Welt: der Scala in Mailand und dem Opernhaus San Carlo in Neapel.
Rom muss das Auffallen beherrschen. Bereits 2016 inszenierte mit Sofia Coppola (Filmregisseurin von «Lost in Translation» und «Marie Antoinette») eine Nicht-Opern-Regisseurin am Haus. Sofia Coppola, Ai Weiwei: beides keine Household-Names am Opernhaus. Das spielt dem Teatro in die Karten: Die Tickets an diesen Abenden verkaufen sich gut.
Verdauliche Erzählstruktur
Auch dem Dokfilm tut es gut: Dadurch, dass Ai Weiwei auf dem Gebiet unerfahren ist, kann das Kinopublikum die komplexen Abläufe hinter einer Inszenierung niederschwellig miterleben.
Durch Rückblenden auf das künstlerische Leben von Ai Weiwei ordnet Regisseur Derevianko seine künstlerischen Entscheidungen ein. Und da ist auch der rabiate Ai Weiwei dabei, der beispielsweise 2008 in Erdbebentrümmern die chinesische Regierung kritisiert.
Damals hielten in der chinesischen Provinz Sichuan Regierungsgebäude einem schweren Beben stand, während Schulhäuser in sich zusammenfielen und tausende Kinder unter sich begruben.
Zwischen Politik und Pathos
Solch unbequeme politische Aktionen führten 2011 mutmasslich zur Festnahme Ai Weiweis. Für 81 Tage wurde er vom autoritären chinesischen Regime unter einem Vorwand interniert.
Im Film sind Audioaufnahmen von Ai Weiweis Festnahme zu hören. Das macht dieses Porträt eindrücklich. Der Film kippt aber dadurch in seiner zweiten Hälfte auch ins Pathetische. Gleichzeitig mit Ai Weiweis Festnahme wird im Film der Unterbruch der Probenarbeit wegen Corona thematisiert: Im Film sind beide Momente Wendepunkte in der Dramaturgie.
Die Message: Durchhalten! Sich nicht entmutigen lassen! Jedoch wird dadurch die Repressalie eines autokratischen Staats mit dem Probenunterbruch in Folge einer globalen Pandemie aufgewogen. Das wirkt konstruiert.
Ein Schluss für Opern-Muffel?
Am Schluss ist vom Produkt, also von Ai Weiweis Turandot-Inszenierung, im Film nicht viel zu sehen. Lediglich die bekannte und heroische Tenor-Arie «Nessun Dorma» schafft es prominent auf die Leinwand. Und die kennt jeder Opern-Muffel.
Der Dokfilm gibt am Ende dem Pathos Vorrang. Darunter leidet die Stringenz. Dennoch demonstriert der Film, was hinter den verschlossenen Türen passiert und demystifiziert erfrischend den Bühnenzauber der grossen Opernhäuser.
Kinostart: 13.November 2025