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Neu im Kino «The Zone of Interest»: Hinter dem Rosengarten ist die Hölle

Ohne ihn zu zeigen, vermittelt «The Zone of Interest» den Horror von Auschwitz wie noch kein Spielfilm zuvor. Der höchst innovative Film von Jonathan Glazer geht ins diesjährige Oscarrennen um den «Besten Film».

Hedwig (Sandra Hüller) und Rudolf (Christian Friedel) haben für sich und ihre fünf Kinder ein Traumhaus ausgebaut, mit riesigem Garten, einem Schwimmbecken mit Rutschbahn und Pferdestall.

Die hohe Gartenmauer hinten hätten sie mit Reben bepflanzt, erklärt Hedwig ihrer Mutter, die zu Besuch ist. Damit man sie später nicht mehr so sehe.

Hinter der Mauer das Grauen

Die Mauer ist die Aussenwand des Konzentrationslagers von Auschwitz. Rudolf ist Rudolf Höss, der Kommandant des Lagers, verantwortlich für die Vergasung und Verbrennung Tausender von Jüdinnen und Juden. Ein effizienter Organisator, stolzer Ehemann und liebevoller Vater.

Was hinter der Mauer geschieht, ist allenfalls auf der Tonspur präsent. Schreie, Schüsse, Hundegebell. Hin und wieder steigen dicke Rauchfahnen auf. Und einmal holt Höss seine planschenden Kinder blitzartig aus dem Fluss, weil eine dicke Ascheschicht angetrieben kommt.

Filmisches Meisterwerk

Jonathan Glazer ist einer der eigenwilligsten und originellsten Filmemacher der Gegenwart. In «Under the Skin» (2014) ging einem Scarlett Johansson als Alien unter die Haut, als eine sich selbst entdeckende Kreatur. Die Szenen, in denen sie einem Mann vorangeht, in absoluter schwarzer, flüssiger Dunkelheit versinkend: Sie wirken im Publikum stärker nach als dessen eigene Träume.

«The Zone of Interest» beginnt in dieser Dunkelheit, mit einem schreimurmelnden Chor. Und im nächsten Bild sieht man die Familie Höss beim Picknick am See.

KZ-Horror aus Tätersicht

Grundlage des Films ist der gleichnamige Roman von Martin Amis . Allerdings hat Glazer daraus nur die Familie im Haus an der KZ-Mauer übernommen und die tatsächlichen Verhältnisse der Familie Höss minutiös recherchiert.

Während Amis’ Roman aus drei Blickwinkeln erzählt, gibt uns Glazer eine einzige, fliessende Perspektive, in festen Einstellungen, mit fixen, ferngesteuerten Kameras gefilmt, die sich je nach Figur ein wenig verschiebt. Vollends absurd wird die blinde Idylle, als Höss in die Zentrale nach Oranienburg versetzt werden soll, und Hedwig sich rundweg weigert, ihr selbstgefügtes Familienparadies in Auschwitz zu verlassen.

Zeigen, ohne zu zeigen

Das effektivste Grauen im Kino ist dasjenige, das nicht zu sehen ist. Als Zuschauerin oder Zuschauer muss mich Glazers Film gar nicht zwingen, mir vorzustellen, was jenseits der Mauer passiert. Ich kann (und will, zu meinem Schrecken) gar nicht anders.

Umso krasser wirkt die Fähigkeit dieser strammdeutschen Mittelstandsfamilie, alles auszublenden. Hedwig findet im Pelzmantel einer jüdischen Frau, den sie aus den Lagerbeständen «bestellt» hat, einen Lippenstift, den sie sogleich ausprobiert. Ihrer Freundin erzählt sie von dem Diamanten, den sie in einer Tube Zahnpasta gefunden habe. Natürlich habe sie gleich noch mehr Zahnpasta bestellt.

Ein mittelalter Mann mit braunem gelockten Haar wird flankiert von einer brünetten Frau und einem Mann.
Legende: Sandra Hüller mit Regisseur Jonathan Glazer und Christian Friedel bei der Pressekonferenz zu «The Zone of Interest», der im offiziellen Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes lief. Keystone / EPA Getty Images POOL

Dass Jonathan Glazers höchst innovativer, konzeptuell konsequenter Film so einen indirekten Sog entwickelt, liegt natürlich auch an all den vielen Filmen, die vor ihm waren, die Bilder aus «Schindler’s List» ruft «The Zone of Interest» ab wie Geisterahnungen.

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