Wer erinnert sich nicht gerne an Littlefinger – ein Lord geringer Herkunft, der die Weltherrschaft anstrebte, zu jedem Preis. Oder wie es Varys ausdrückte: «Littlefinger would see the realm burn if he could be king of the ashes.» Wunderbarer Satz, weil wahr.
Ich werde Varys vermissen. Auch wenn er furchtbar illoyal war und nur seine Interessen – also natürlich die des «Realms» – verfolgte, war er einer der wenigen klarsichtigen Charaktere in Westeros. Und hatte meistens gloriose Dialoge. «Ich hoffe wirklich, ich verdiene dies. Ich hoffe wirklich, ich irre mich», sagt er zu Tyrion vor seiner Hinrichtung. Wir hoffen es auch. Wirklich.
Was also Varys damals für Littlefinger voraussagte, gilt auch für Daenerys Targaryen. Wird sie die Königin der Asche? Ja. Und womit?
Mit Recht. Was für eine Szene! Ich wusste nicht, ob ich vor Entsetzen oder Begeisterung schreien sollte. Einerseits ist es extrem ärgerlich, dass sich Daeny doch als irre Drachenreiterin ohne Erbarmen rausstellt, aber dazu später.
Ein Drache kann mehr als drei
Ersteinmal ist die Schlacht der zwei Königinnen vorbei, bevor sie angefangen hat. Die Eiserne Flotte: gesunken. Die Golden Company: geschmolzen. Die Lannister-Armee: ergeben. Die Glocken: geläutet! Jon und Tyrion atmen so laut auf, dass man es bis nach Winterfell hören kann: Das grosse Blutvergiessen wurde vermieden.
Achtung Spoiler: Stimmt nicht!
Daenerys, «First of her Name» und so weiter und so fort, macht klar, dass sie sich entschieden hat: Lieber Respekt durch Angst als gar keinen Respekt. Kann ich völlig verstehen.
Natürlich legt sie King’s Landing in Schutt und Asche – primär mal, weil sie es kann. Vielleicht auch aus Trotz: Niemand tut das, worum sie bittet – warum sollte sie also das tun, worum sie gebeten wird?
Sie hatte Jon gebeten, niemandem seine Herkunft zu verraten. Was macht Jon? Tyrion hintergeht Daenerys, wo er kann, von Varys mal ganz abgesehen.
Echt schlecht beraten
Ihre Hauptmotivation ist aber die bittere Erkenntnis, dass ihre Berater echt schlechte Berater sind. Man muss es mal von Daenerys’ Standpunkt sehen: Ihre defensive Kriegsführung hat bisher zwei von drei Drachen gekostet, dazu ihre beiden engsten Vertrauten, Missandei und Ser Jorah.
Und jetzt soll sie schon wieder auf Tyrion und Co. hören, die «gütige Königin» sein, die das «Richtige» macht, nämlich unschuldige Stadtbewohner zu verschonen und lieber dabei zusehen, wie ihre Truppen von den Lannister-Armeen und der Golden Company niedergemetzelt werden?
Ich finde es absolut richtig, dass Daenerys ihren Weg geht. Du bist die Drachenmutter! Zeig’s ihnen! Und: Der Drache kann ja doch etwas! Ein Atemhauch, und ein gesamter Turm stürzt ein. Eurons Flotte? Streichhölzer in einer Pfütze. Die Ballistas? Welche Ballistas!
Die andere Seite der Medaille ist: Daenerys Targaryen ist jetzt der offizielle Bösewicht in Westeros. Es kam so, wie es alle (= Sansa und Varys) voraussahen und niemand (= Jon oder Tyrion) wahrhaben wollte: Daenerys ist die «Mad Queen». Wer braucht schon komplexe Charakterzeichnungen so kurz vor dem Finale.
Lange aufgebaut, schnell zerstört
Das ist übrigens generell ein Problem, was ich mit der 8. Staffel habe: Teilweise glaube ich, die Macher haben die Geschichte, die sie erzählen, nicht ganz verstanden.
Beweisstück A: der Tod von Jaime und Cersei Lannister. Wer sich mit den beiden Protagonisten in den letzten 8 Staffeln auseinandergesetzt hat, dem war klar: Ein versöhnliches Ende, in dem sich beide voller Liebe in den Armen liegen, ist für die beiden jenseits des Möglichen – ja jenseits des Logischen.
Offensichtlich nicht in der Welt von Benioff und Weiss.
Auch die vorletzte Folge hatte – wie so oft – brilliante Momente neben völlig unpassenden Szenen: Euron Greyjoy wird ausgerechnet an den Strand gespült, an dem Jaime rumsteht, damit sich dann beide duellieren können? Um Cersei? Gestatten, mein Name ist Klischee.
Mal gucken, was die letzte Folge bringen wird – es wird auf ein Duell zwischen Jon und Daenerys hinauslaufen. Wem hatte Varys vor seinem Tod die Nachrichten geschrieben? Kommt Winterfell noch mal vor? Und die zentrale Frage: Überlebt Tyrion?