Dass ausgerechnet Curtis «50 Cent» Jackson eine Doku-Serie über Diddy produziert, hat Gewicht: Die Fehde zwischen den beiden Rap-Stars ist legendär und beginnt vor knapp zwei Jahrzehnten mit dem Disstrack «The Bomb». Darin beschuldigt 50 Cent seinen Kontrahenten Diddy, in die Ermordung von The Notorious B.I.G. involviert zu sein – ein Vorwurf, der sich bisher nie erhärtete.
Doch die Kontroversen um Diddy häufen sich. Sie perlen an ihm ab – bis zu seiner Verurteilung 2025. Das Bundesgericht in Manhattan spricht ihn schuldig, Frauen zur Prostitution genötigt zu haben. Von schwereren Vorwürfen wie Menschenhandel und organisierter Kriminalität wird er freigesprochen. Fragwürdig, argumentiert die Serie.
Kontroverse um Filmmaterial
«Sean Combs: The Reckoning» beginnt in einem New Yorker Hotelzimmer, sechs Tage vor Diddys Verhaftung und liefert die filmische Backstory zum juristischen Fall. Diddy sitzt vor seinem Handy und sagt zu seinem Anwalt: «Wir verlieren! Wir brauchen jemanden, der sich mit den schmutzigsten der schmutzigen Geschäfte auskennt.»
Das private Material, gefilmt von einem Team-Mitglied, zeigt ihn in wenig vorteilhaftem Licht. Nach Veröffentlichung meldet sich Diddy umgehend aus dem Gefängnis – der Film sei eine «schamlose Abrechnung» und enthalte «gestohlenes Material», heisst es im «The Guardian».
Die Doku-Autorin Alexandria Stapleton widerspricht: Die Aufnahmen seien «legal erworben». Zum Schutz der Quelle hält sie Details allerdings geheim. «Das ist kein Anschlag oder Vergeltungsakt.»
Combs Aufstieg und Abgründe
Combs wächst als Sohn eines ermordeten Gangsters und einer alleinerziehenden Mutter in Mount Vernon bei New York auf. Freunde, Künstler, Angestellte und Opfer beschreiben ihn als ehrgeizig, trendbewusst und skrupellos.
Innert weniger Jahre steigt er zum globalen Musikproduzenten, Modeunternehmer und Werbeträger auf – und hinterlässt eine Spur der Verwüstung: geprellte Geschäftspartner, betrogene Musikerinnen, sexuell ausgebeutete Schützlinge und prominente Todesopfer säumen den Erfolgsweg. Eine True-Crime-Story.
Die Sache mit den Morden an Biggie und Tupac
Höhepunkt der Serie ist Episode zwei: Sie beleuchtet die Rap-Fehde zwischen Ost- und Westküste in den 1990er-Jahren, die in den Morden an den Rappern Tupac Shakur und The Notorious B.I.G. («Biggie») gipfelt.
Die Doku rückt Diddy ins Zentrum – gestützt auf Archivmaterial, Tonaufnahmen von Gangmitgliedern und Interviews mit LAPD-Ermittler Greg Kading sowie Diddys ehemaligem Geschäftspartner Kirk Burrowes.
Die These: Diddy lotste Biggie absichtlich in feindliches Territorium, was zu dessen Ermordung führte. Und: Diddy hatte «viel mit Tupacs Tod zu tun», meint Burrowes. Die filmische Beweisführung ist virtuos, aber bewusst perspektivisch: Eingeblendete Tafeln erklären den aktuellen juristischen Stand von Diddys Verfahren und setzen die Filmstory somit in einen Kontext. Eine «schamlose Abrechnung» sieht anders aus.
Produzent 50 Cent betont, es gehe in «Sean Combs: The Reckoning» nicht um Rache, aber fügt an: «Hätte ich geschwiegen, hätte die Welt gedacht: Hip-Hop akzeptiert sein Verhalten. Niemand sonst meldet sich zu Wort.» Eine Abrechnung also doch? Wohl schon – aber mit Argumenten.