Wolfgang Petersen kam 1941 in der ostfriesischen Hafenstadt Emden zur Welt. Mitten im Krieg, als Sohn eines Marineoffiziers.
Natürlich lässt sich im Nachhinein vieles in eine Biografie hineinlesen. Aber Petersens internationale Karriere ist geprägt von diesem Hintergrund.
Wenig Kriegsheroik bei «Das Boot»
Sein Welterfolg «Das Boot», nach dem Roman von Lothar-Günther Buchheim, war ein riskantes Unternehmen für eine deutsche Filmproduktion mit internationalem Anspruch. Der Film folgte einer U-Boot-Mannschaft auf Kriegseinsatz, zeigte den harten Alltag und die Angst. Das alles mit einem ungewohnten Realismus jenseits gängiger Kriegsheroik.
In Deutschland wurde Petersen vorgeworfen, genau damit die Kriegsschuld der Deutschen zu verharmlosen. Es gab auch Stimmen, die den Erfolg des Films in Deutschland genau diesem Umstand geschuldet sahen, und weniger in der dramaturgisch und filmtechnisch hervorragenden Umsetzung.
Irritation auch beim US-Publikum
Umgekehrt reagierte das erste US-amerikanische Testpublikum auf «Das Boot» ebenfalls irritiert, da Menschen statt Nazis in einem Kriegsfilm zu sehen sind. Petersen erinnerte sich noch Jahre später an die merkwürdige Stimmung im Saal. Auf die historische Einordnung zu Beginn des Films, dass von den 40'000 deutschen U-Boot-Besatzungsleuten 30'000 ihre Einsätze nicht überlebt haben, hätte das Publikum in den USA – zu Petersens Entsetzen – mit Jubel und Applaus reagiert.
Aber sowohl in Deutschland wie in den USA setzte sich bald die Erkenntnis durch, dass «Das Boot» einfach bahnbrechend gut gemachtes Kino war und ist.
In Hollywood warteten Eastwood und Ford
Für Wolfgang Petersen und seinen Kameramann Jost Vacano öffnete das beeindruckende Handwerk schliesslich den Weg nach Hollywood und zu den grossen Filmen wie «In the Line of Fire» mit Clint Eastwood, oder das Hau-drauf-Präsidentenspektakel «Air Force One» mit Harrison Ford.
Da kamen drei Stränge aus Petersens Leben zusammen: Seine Jugend in Emden, die nach Kriegsende von den US-amerikanischen Soldaten im dortigen Hafen und ihrer mitgebrachten Kultur nachhaltig geprägt wurde. Dann seine frühe Liebe zum grossen Hollywoodkino, und nicht zuletzt sein handwerklich ausgesprochen aufbauender Werdegang im Wirtschaftswunder Deutschland mit seinem grossen Nachholbedarf.
Keine Angst vor Kontroversen
Nach ersten Lehrjahren am jungen Theater in Hamburg ging er an die deutsche Film- und Fernsehakademie in Berlin und drehte ab 1971 sechs Tatort-Folgen, darunter das legendäre «Reifezeugnis» mit Nastassja Kinski von 1977.
Dass er vor kontroversen Themen nicht zurückscheute, bewies Petersen im gleichen Jahr mit der Verfilmung von Alexander Zieglers Roman «Die Konsequenz». Dies zu einem Zeitpunkt, als Homosexualität im deutschen Kino noch immer als Untergrundthema galt.
Stilsicher bis zum Ende
Grosse Themen und grosse Action haben Wolfgang Petersen durch sein Arbeitsleben begleitet. Immer wieder hat er es geschafft, spektakuläre Resultate auf die Leinwand zu bekommen, selbst bei Themen, die auf den ersten Blick wenig filmtauglich schienen. Etwa den Pandemiefilm «Outbreak» mit Dustin Hoffman von 1995, der eben zu Beginn der Covid-Pandemie eine weltweite Renaissance genoss.
Oder mit der Ilias-Verfilmung «Troy» mit Brad Pitt als Achilles von 2004, nach einem Drehbuch des späteren «Game of Thrones»-Showrunner David Benioff. Auch da schaffte Petersen die Fusion von klassischer europäischer Bildungsbürgerlichkeit mit Hollywood-Grandezza, ohne Berührungsangst, aber auch mit bemerkenswerter Stilsicherheit.
Dass er, der deutsche Präzisions- und Wertarbeiter, nun mit 81 Jahren in Los Angeles zufrieden und friedlich gestorben ist, passt zu diesem kino-stilistischen Fusionskoch der Leinwand.