Die Streaming-Dienste gehören bekanntlich zu den grossen Gewinnern der Corona-Krise. Netflix scheint der kommerzielle Erfolg aber nicht zu reichen. Der Unterhaltungs-Riese will nun auch künstlerische Anerkennung kriegen. Am liebsten in Form des Oscars für den besten Film, eine Auszeichnung die Netflix bisher nicht vergönnt war.
Deshalb geht der Streaming-Gigant jetzt aufs Ganze und schickt gleich drei Produktionen ins Rennen, die Anspruch auf den wichtigsten Preis im Showbusiness erheben: Nach David Finchers «Mank» und Ron Howards «Hillbilly Elegy» nun also George Clooneys «The Midnight Sky».
Doch was taugt der neuste Clooney, mit dem Netflix nach den Sternen greift? Dieser Schlüsselfrage widmete sich kürzlich «Skip or Watch» , der neue Podcast von SRF Virus. Das Verdikt der jungen Kritikertruppe: dreimal «Skip» für «The Midnight Sky». Sprich: Diesen Film kann man sich schenken.
Hiebe von der «Generation Netflix»
In seiner Doppelfunktion als Regisseur und Hauptdarsteller habe Clooney wohl «den Blick für grosse Ganze» verloren, glaubt Dino Pozzi (28): «Ich hatte nie das Gefühl, dass er wirklich wusste, welche Geschichte er erzählen wollte.»
Ann Mayer (27) fand den Film zwar visuell beeindruckend, «aber von der Story her sehr, sehr voraussehbar». Luca Bruno (32) nervte ein unorigineller Plot-Twist gar so gewaltig, dass er zur Kritiker-Höchststrafe griff: «Null Sterne!»
«The Midnight Sky» ist nicht die erste Netflix-Produktion, die von der meinungsstarken Podcast-Crew verrissen wurde. Dabei passt die Kritikertruppe vom Altersprofil her eigentlich genau in die Zielgruppe der Streaming-Plattform.
Ermüdendes Betteln um Gold
Was also macht Netflix falsch? Der Branchenprimus erwecke derzeit allzu oft den Anschein, sich bei der Academy «einschleimen» zu wollen, sagt Ann Mayer. Weil er immer mehr «Oscar baits» produziere: So nennen die Amerikaner Filme, die ihr Thema als Köder verwenden, um eine Trophäe zu gewinnen.
Ron Howards überdramatisierte Unterschichtsstudie «Hillbilly Elegy» bediene sich beispielsweise bloss eines Milieus, statt dieses realistisch abzubilden: «Ein ‹Oscar bait› par excellence!», findet Ann Mayer.
Ob die Academy den Köder schluckt? Dino Pozzi hält dies mit Blick auf Glenn Closes Perfomance für gut möglich. Weil statt der schauspielerischen Qualität leider oft ein andere Frage im Zentrum stehe: «Wer hat am radikalsten gespielt, sich für die Rolle am meisten oberflächlich transformiert?»
Weniger Gewicht, dafür mehr Wolle im Gesicht
Misst man die Erfolgschancen am Verwandlungsgrad, liegt George Clooney gut im Rennen. 13 Kilo soll der ergraute Star für den gefühlsschwangeren Öko-Science-Fiction «The Midnight Sky» abgenommen haben. In so kurzer Zeit, dass seine Bauchspeicheldrüse rebellierte und sich entzündete.
Bei die Aussenaufnahmen in Island seien zudem seine Augenlider immer wieder zugefroren. Und dann ist da natürlich noch der neue Bart, durch den Clooney deutlich älter wirkt. All dies lässt die Podcast-Crew von «Skip or Watch» herzlich kalt.
Für Dino Pozzi hat nur ein aktueller Netflix-Titel den Oscar verdient: David Finchers Hollywood-Hommage «Mank». Auch weil Gary Oldman darin etwas augenscheinlich macht: Man muss sich als Schauspieler optisch nicht immer radikal verändern, um das Publikum in seinen Bann zu ziehen.
«The Midnight Sky» startete am 10. 12. in den Kinos und ist ab dem 23. 12. auf Netflix verfügbar.