Zum Inhalt springen

Überraschungs-Filmhit «Saltburn»: Social-Media-Phänomen mit Sex, Snobs und Sozialkritik

«Saltburn» ist der Film der Stunde. Der Elite wird im britisch-US-amerikanischen Thriller radikal lustig das Fell über die Ohren gezogen. Wer nun zum Film von Regisseurin Emerald Fennel noch die Gegenwart hinzudenkt, muss leer schlucken.

Um es direkt vorwegzunehmen: Ja, es gibt diese Duftkerzen, die nach dem Ejakulations-Badewasser von «Saltburn»-Hauptdarsteller Jacob Elordi riechen sollen. Eine Kerze kostet rund 24 Franken und sieht aus wie ein Konfi-Glas mit Mandelmus drin. Also recht unspektakulär.

Porträtbild von Schauspieler Jacob Elordi in braunem Anzug
Legende: Wenn die besagte Duftkerze nur halb so erfolgreich wird wie der Film, dann hat der Jung-Schauspieler Jacob Elordi bald ausgesorgt. Keystone / Richard Shotwell / Invision/ AP

Der Film ist in aller Munde: TikTok ist voll mit allerlei Film-Schnipsel aus «Saltburn». Die Feuilletons weltweit streiten sich, ob der Thriller von Regisseurin Emerald Fennell, oder wie die New York Times schreibt, «das Ding», der allergrösste Schrott überhaupt ist, oder doch die «fein platzierte schallende Gegenwarts-Ohrfeige», die wir alle nötig haben, wie von der Süddeutschen Zeitung formuliert.

Oliver Quick ist böse und sexy

In «Saltburn» trifft der arme Student Oliver Quick an der Elite-Universität Oxford auf den adligen Felix Catton. Die beiden befreunden sich. Im Vergleich zu Ollie gehört Felix per Geburt zur allerhöchsten Kaste der britischen Gesellschaft.

Was schnell klar wird: Ollie ist gekommen, um zu bleiben. Er verführt Felix, seine Schwester, und führt deren Eltern weltmeisterlich an der Nase herum. Selten hat jemand auf eine so faszinierend bösartige, lustige und sexy Art versucht, aufzusteigen. Die Familie ist sich so sicher, mit ihrem Geld und Status, dass sie zum perfekten Opfer wird.

Wie in echt: ein Zirkus der Reichen

«Saltburn» ist die wahrscheinlich wahrhaftigste Weltbeschreibung der jetzigen Zeit, in der das globale Kapital immer mehr auf eine Seite verteilt wird. Die britische Entwicklungsorganisation Oxfam schreibt im aktuellen Jahresbericht, dass es bald den ersten Dollar-Billionär der Welt geben soll. Die fünf reichsten Männer der Welt konnten ihr Vermögen seit 2020 mehr als verdoppeln.

Auf dem Bild ist ein Schloss zu sehen, eine grosser Rasen, Liegestühle und drei Personen.
Legende: Middle-Class-Oliver wird über den Sommer auf das pompöse Catton-Familienanwesen eingeladen. Keystone / AP Amazon Prime

In Davos, am World Economic Forum (WEF), trafen sich vergangene Woche die Reichen und Mächtigen. Klar, Nahost und der Krieg in der Ukraine waren Thema, im Fokus stand aber das Big Business. Wir «Normalos» schauen fasziniert dem Reichenzirkus zu, träumen vielleicht selbst davon, Teil der erlauchten Gesellschaft zu sein. In diesem Streben nach dem Unerreichbaren können sich wohl viele von uns mit Ollie identifizieren.

Kapitalismuskritik light

Er will selbst reich und mächtig sein, das System ändern. Aber den Reichtum umzuverteilen, daran verschwendet er keinen Gedanken. «Saltburn» klassenkämpferisch als Kapitalismuskritik zu lesen, funktioniert darum nur bedingt. Es wird zwar die erstaunliche Leere und Abgehobenheit der Upperclass entlarvt, doch dabei bleibt es: Kapitalismuskritik light.

Der Film regt trotzdem zum Nachdenken an: Wie sähe eine Welt aus, in der der Reichtum mehr pro Kopf verteilt würde? Wie eine Welt, in der es weniger darum geht, durch glückliche Geburt in die richtigen Familien, Kreise und Staaten hineingeboren zu werden?

«Tax the rich»?

Um nochmals auf das WEF zu kommen: Dort liess sich in diesem Jahr gar eine Art Gegenfigur zu Oliver Quick finden. Die österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn hielt in alpinen Höhen ein «Tax the Rich»-Schild hoch und erklärte, warum sie ihr 25-Millionen-Erbe per Bürgerrat verteilen lassen will.

Vielleicht könnte eine wie sie die Hauptfigur im nächsten Projekt von Emerald Fennell werden? Dort würde dann «Eat the Rich» wirklich umgesetzt. Die Reichen werden von ihresgleichen aufgefressen.

Filmhinweis

Box aufklappen Box zuklappen

Der Film «Saltburn» ist zu sehen beim Streaming Portal «Amazon Prime».

Die Kultur-Highlights der Woche im Newsletter

Box aufklappen Box zuklappen

Entdecken Sie Inspirationen, Geschichten und Trouvaillen aus der Welt der Kultur: jeden Sonntag, direkt in Ihr Postfach. Newsletter jetzt abonnieren .

SRF 3, 24.1.2024, 13.45 Uhr

Meistgelesene Artikel