Vorbild «Jeune Homme» - Wieso es Filme selten über die Sprachgrenze schaffen
Die hiesige Sprachenvielfalt stellt Filmschaffende in der Schweiz vor Herausforderungen: Die Märkte sind klein, die Chancen auf einen nationalen Erfolg gering. Einer, der es geschafft hat, ist der Regisseur Christoph Schaub mit seinem Film «Jeune Homme».
«Pouvez-vous me prêter deux oeufs?», fragt die Nachbarin. Sebastian (Matthias Schoch) schaut sie verdutzt an. Der Deutschschweizer ist als Au-pair in Genf – und sein Französisch alles andere als fliessend.
Erst als die Nachbarin ihm per Zeichensprache und in gebrochenem Deutsch zu verstehen gibt, was sie möchte, kapiert er. Sie möchte zwei Eier ausleihen.
Über den Röstigraben
Die zweisprachige Komödie «Jeune Homme» spielt mit den Kultur- und Sprachunterschieden zwischen der Deutschschweiz und der Romandie. Und überwand damit 2006 den Röstigraben. Der Film kam in beiden Landesteilen gut an.
«Jeune Homme» liegt auf Platz 49 der erfolgreichsten Schweizer Filme. Auf den Plätzen vor ihm sind fast ausschliesslich Filme in deutscher Sprache. Nur wenige auf Französisch, keine auf Italienisch.
Für Regisseur Christoph Schaub war sein Interesse für die verschiedenen Landessprachen die Ausgangslage zu seinem Film. Daraus haben er und der Produzent die Geschichte entwickelt.
Sehr kleine Märkte für die Filme
«Sprachen sind so interessant und schön», sagt Schaub im Interview mit SRF. «Sie machen auch eine Existenz aus. Es ist etwas anderes, ob man mit der französischen Sprache aufgewachsen ist oder mit der deutschen.»
Die Sprachenvielfalt in der Schweiz stellt nicht nur Au-pairs vor Herausforderungen, sondern auch Filmschaffende. Denn einen Film für die ganze Schweiz zu drehen, ist schwierig. Die Märkte sind sehr klein.
«Filme aus der Westschweiz können in Frankreich gezeigt werden. Einige aus der Deutschschweiz in Deutschland. Aber nicht, wenn sie in Dialekt sind», sagt Regisseur Christoph Schaub. «Da ist es nicht einfach, sich zu behaupten. Vor allem international.»
Ein Film in der vierten Landessprache
Ein noch kleinerer Markt ist die rätoromanische Sprachregion. Gerade mal 0,5 Prozent der Schweizer Bevölkerung sprechen Rumantsch. Trotzdem hat sich Christoph Schaub 2018 an diesen Markt gewagt.
Mit «Amur senza fin» realisierte er den ersten professionellen Spielfilm auf Rätoromanisch. Die Fernseh-Komödie wurde mit Untertiteln in allen Sprachregionen gezeigt.
«In der Westschweiz hat man ihn jedoch auch noch synchronisiert», erzählt Schaub. «So geht leider relativ viel verloren.»
Dass ein Schweizer Film in der ganzen Schweiz Erfolg hat, ist sehr selten. Christoph Schaub sieht das gelassen: «Vielleicht muss man sich einfach damit abfinden, dass ein Schweizer Film, vor allem einer auf Schweizerdeutsch, nie sehr erfolgreich sein kann. Sondern nur relativ erfolgreich. Und das ist ja auch schon schön.»
Schwerpunkt «Mehrsprachigkeit in der Schweiz»
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Vier Landessprachen, rund 42 Prozent zweisprachige Haushalte: Mehrsprachigkeit ist in der Schweiz allgegenwärtig – und vom 28. August bis 4. September Thema einer Schwerpunktwoche bei SRF Kultur.
Ausgewählte Highlights aus dem Programm:
Sonntag, 28. August 2022
Pratteln, mon amour:
Unsere Autorin kam als kleines Kind aus Albanien in die Schweiz. Anfangs verstand sie kein Wort – dann zog sie um (Artikel)
Spielfilm
«Die Sprache des Herzens»
: Ende des 19. Jahrhunderts nimmt sich eine französische Nonne der taubblinden Jugendlichen Marie Heurtin an, die keine Form der Kommunikation kennt. (SRF 1, 00:00 Uhr)
Mundartserie: «Die fünfte Landessprache» und ihre Einflüsse auf die deutsche Sprache (Radio SRF 1, 9:40 Uhr):
Shaqiri, Xhaka oder Dzemaili
Die gute Idee: Eine zweisprachige Schule in der zweisprachigen Stadt Biel (SRF 1, «10vor10», 21:50 Uhr)
Sonntag, 4. September 2022
«Perspektiven»: Der mythische Ursprung der Vielsprachigkeit – die Sprachverwirrung zu Babel (Radio SRF 2 Kultur, 8:30 Uhr)
Dokumentarfilm «Die Frau mit den fünf Elefanten»: Swetlana Geier (1923-2010) gilt als die bedeutendste Übersetzerin von russischer Literatur ins Deutsche. Mit 85 Jahren reiste sie zum ersten Mal seit dem Krieg zurück in ihre Heimat – die Ukraine. (SRF 1, 23:45 Uhr)
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