Das Finale vor einem Jahr in Stockholm: eine Bühne, auf der zwei Spieler vor Computermonitoren sitzen. Dahinter eine grosse Leinwand, auf der die Zuschauerinnen und Zuschauer das Foto sehen, von dem die Spieler raten müssen, wo es aufgenommen wurde. Der Kommentator und der Experte sind gerade etwas ratlos über den Standort des Bildes: Es zeigt ein riesiges Kornfeld.
Das Feld könnte irgendwo sein in der Welt, aber die Profis erkennen Bäume im Hintergrund. Die verraten den beiden Finalisten: Dieses Feld muss in Brasilien sein. Nach nicht einmal einer Minute Spielzeit geben die Spieler die vermuteten Koordinaten ein. Und tatsächlich: Das Kornfeld ist in Brasilien. Die Runde geht an «MK», das Kürzel des einen Finalisten. Er lag nur knapp tausend Kilometer neben dem Ziel. Favorit «Blinky» lag weiter weg.
Nächster Kartenausschnitt: Hier orientieren sich die Spieler an anderen Hinweisen. Abfalleimer, Strommasten, Architektur, Schilder. Auch diesmal, nach nur wenigen Sekunden, hat jeder den eingeblendeten Ausschnitt dem gesuchten Ziel zugeordnet. Beide liegen nur ein paar hundert Meter daneben.
Als Zuschauer schüttelt man ratlos den Kopf, bleibt aber dran: Wie bei einer Quizshow will man mitraten und die nächste Runde sehen. Und die übernächste. Man ist zwar chancenlos, versteht das Spielprinzip aber schnell. Und das trage zum Erfolg bei, sagt Mikael Falgard, Mitbegründer von Geoguessr.
Sofort verstehen, wie es läuft. Das gäbe es bei keinem anderen E-Sport-Spiel. Meist muss man sich als Zuschauer erst aufwendig mit dem Game beschäftigen, um zu verstehen, was die Profis auf der Bühne treiben. Profis und Zuschauende seien dadurch eine eingeschworene Gemeinschaft, die fast alle anderen ausschliesse. Geoguessr sei integrativer. Eher wie ein Dartspiel in einem Pub. Nicht alle können oder wollen mitspielen, aber alle verstünden das Prinzip des Spiels.
Geoguessr habe deshalb das Potenzial, E-Sport für die Massen zu werden, ist Mikael Falgard überzeugt. Raus aus der Nische. Für einmal nicht zu Hause vor dem PC die Geografie erraten, sondern mit anderen Fans vor Ort in Kopenhagen bei den Weltmeisterschaften.
Natürlich wolle Geoguessr durch das Engagement im E-Sport auch neue Leute anlocken, die dann ein Abo lösten, um Geoguessr selber spielen zu können – mit mehr Funktionen als in der Gratisversion. Vielleicht spielt sich so in absehbarer Zeit auch ein Profi aus der Schweiz ins Final. Die fehlten derzeit, sagt Mikael Falgard. Das sei schade.
Für «Blinky» gibt es also vorderhand keine Konkurrenz aus der Schweiz. Im Finale 2024 besiegte der 26-jährige Franzose den US-Amerikaner «MK». «Blinky» – sein richtiger Name lautet Mathieu Huet – hat bis heute gut 50'000 Dollar verdient, mit Wettkämpfen als Geoguessr Profisportler.
Wenn er dieses Wochenende in Kopenhagen seinen Titel verteidigen kann, dürfte sich das finanziell lohnen. Die Preissumme hat sich dieses Jahr auf über 100'000 Dollar erhöht.