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Ikea: Eine Erfolgsgeschichte in Spreitenbach
Aus Kultur-Aktualität vom 06.09.2023. Bild: Getty Images / Jeffrey Greenberg / UCG / Universal Images Group
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50 Jahre Ikea in der Schweiz Ein Teelicht aus der Hölle oder: ein Samstag bei Ikea

Die Ikea-Filiale in Spreitenbach (AG) feiert den 50. Geburtstag. Sie wurde als erste Ikea-Filiale ausserhalb Skandinaviens eröffnet. Ein Besuch am Samstag kommt einem Nahtoderlebnis gleich. Erfahrungsbericht einer unerschrockenen Redaktorin.

Nein, in die IKEA kommt man normalerweise nicht mit dem Velo. Davon zeugt der verwaiste Fahrradständer links des Haupteingangs.

Ein Velo im Veloständer, dahinter weitere, leere Veloständerreihen.
Legende: Wer mit dem Velo bei Ikea ankommt, kann zum letzten Mal die Einsamkeit geniessen. SRF / Gisela Feuz

Auf dem Parkplatz versucht ein Paar, alles, was es gerade eingekauft hat, vom hochaufgetürmten Einkaufswagen in den Kofferraum zu packen. Die Meinungen gehen auseinander, wie das genau vonstattengehen soll und wer die besseren Tetris-Kenntnisse hat.

Nerven und Navigierkünste sind gefragt

Drinnen führt eine lange Rolltreppe aufwärts ins Shoppingparadies. Oder in die Shoppinghölle, je nachdem, wen man fragt. Wer Ikea samstags einen Besuch abstattet, braucht starke Nerven oder eine gesunde Portion Masochismus.

Es herrscht ein Stimmengewirr aus unterschiedlichsten Sprachen, viele sind mit Kindern gekommen, die durch die Gänge lärmen. Wer in der Menge an Einkaufswagen mit Rangierkenntnissen ausgestattet ist, ist im Vorteil.

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Vor 50 Jahren eröffnete Ikea die erste Filiale in der Schweiz
Aus Tagesschau vom 06.09.2023.
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Pfeile am Boden führen durch den Ausstellungsrundgang. Die perfekt eingerichtete Küche zieht vorbei. Das perfekte Schlafzimmer, das perfekte Wohnzimmer. Sofas. Stoffsofas. Ledersofas. Bettsofas. Schlafsofas. Gestreifte Sofas. Unifarbene Sofas. Sofas mit Blümchenmuster. Sofateile und Sofazubehör, Sofabezüge. Mir schwirrt der Kopf.

Warum Spreitenbach?

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Dass 1973 ausgerechnet in Spreitenbach der erste Ikea-Ableger ausserhalb Skandinaviens entstand, hat mit einer Überzeugung von Ingvar Kamprad zu tun. Der Ikea-Gründer war der Meinung, dass Herr und Frau Schweizer sehr qualitätsbewusst seien. Wenn sich Ikea in der Schweiz etablieren könne, dann werde das überall gelingen, so Kamprads These. Es gelang. Heute existieren weltweit 456 Ikea-Filialen, neun davon in der Schweiz.

Teelichter im Interior-Inferno

Einen grossen Teil des Umsatzes erzielt Ikea nicht mit Möbeln, sondern mit Accessoires. Teelichter dürften zu den Spitzenreitern gehören. Zumindest stehen sie gleich palettenweise in den Ausstellungsräumen herum.

Drei grosse Paletten mit silberfarbenen Teelichtern, dahinter sind weitere Stapel Teelichter.
Legende: Bereit für den Samstagsansturm: Kaum einer findet aus dem Ikea-Parcour ohne eine Packung Teelichter im Gepäck. SRF / Gisela Feuz

Im Labyrinth aus Heimdekoration, Badezubehör, Teppichen, Pflanzen und Bilderrahmen verliere ich komplett die Orientierung. Es fühlt sich an, als wäre ich schon drei Wochen hier. Ich bin überzeugt, dass ich nie mehr rausfinden, sondern hier als Skelett enden werde. Vielleicht unter dem Tisch Mörbylånga.

Schlafen in der schwedischen Erdnuss

Alle Ikea-Produkte haben klingende, schwedische Namen. Diese werden systematisch nach Kategorie vergeben. Tische und Stubenmöbel heissen wie skandinavische Ortschaften. Mörbylånga ist ein Dorf auf der schwedischen Insel Öland.

Badezimmerartikel tragen den Namen von Gewässern. Der Seifenspender Voxnan ist nach einem Fluss im Osten Schwedens benannt. Bettwäsche bekommt Namen von Blumen und Pflanzen. Wie gut es sich in Jordranunkel (Erdnuss) schläft, könnte allenfalls die Prinzessin auf der Erbse beurteilen.

Massenweise Möbel für wenig Geld

Wahrscheinlich gibt’s hierzulande kaum eine Wohnung, in der nicht mindestens ein Produkt von Ikea steht. Das Prinzip «schönes Design für wenig Geld» ist bestechend, sei aber auch zwiespältig. Das sagt ein Mann, der gerade aus der Halle «Zweite Chance Markt» kommt.

«Die Dinge können nur so günstig sein, weil sie in grossen Mengen produziert werden. Dabei wird auch sehr viel produziert, was niemand braucht», sagt er.

Raus aus der Konsum-Kathedrale

Heureka, Licht am Ende des Shopping-Tunnels! Zuerst muss ich aber noch die Selbstbedienungshalle durchqueren, eine imposante Kathedrale des Konsums, in der sich Kisten und Platten bis unter die Decke stapeln.

Grosse Halle, rechts und links Regale mit Kisten udn Verpackungen, in der Mitte weitere Kisten.
Legende: Kurz vor Schluss zeigt sich der Konsumtempel nochmals in voller Grösse: in der Selbstbedienungshalle. SRF / Gisela Feuz

Komplett reizüberflutet trete ich wieder ans Tageslicht. Das treue Fahrrad hat geduldig gewartet und freut sich über den Multipack Teelichter, das ich ihm ins Körbchen lege.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 06.09.2023, 07:06 Uhr

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