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6 Fragen zu Alkoholismus Woran erkenne ich, ob ich ein Alkoholproblem habe?

Was sind erste Anzeichen von Alkoholismus? Wie spreche ich problematisches Konsumverhalten von Bekannten an? Ein Suchtexperte gibt Antworten auf die brennendsten Fragen.

Ein Gläschen Wein hier, ein Bierchen da – dabei bleibt es oft nicht. Jeder fünfte Schweizer trinkt zu viel. Laut Bundesamt für Gesundheit sind zwischen 250'000 und 300'000 Schweizerinnen und Schweizer alkoholsüchtig.

Aber: Ab wann spricht man überhaupt von einer Sucht? Wen trifft es besonders häufig? Und wie spricht man Bekannte, Kollegen oder Freunde beim Verdacht eines Alkoholproblems darauf an?

Suchtexperte Alexander Wopfner, Chefarzt der Suchtklinik Südhang, gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

1. Warum ist Alkoholsucht so verbreitet?

Alkohol ist legal und überall verfügbar – und genau deshalb als potenzielles Suchtmittel so gefährlich. Alexander Wopfner findet ausserdem das paradoxe Verhältnis unserer Gesellschaft zu Alkohol problematisch: «Bis zu einem gewissen Grad muss man ja Alkohol trinken, um dazuzugehören. Wenn es dann aber zu viel wird oder eine Sucht daraus entsteht, will man plötzlich nichts mehr mit der betroffenen Person zu tun haben. Das ist bigott.»

2. Wen trifft’s und warum?

Vor allem bei Männern gehöre Alkohol zum Rollenbild dazu, so der Experte. Tatsächlich sind zwei Drittel der Patienten, die Alexander Wopfner behandelt, männlich. «Grundsätzlich kann aber jede und jeder in die Alkoholsucht abrutschen», versichert er.

Bei manchen passiere es schleichend und ohne konkreten Anlass. Die meisten aber wollen durch Alkohol andere Probleme vergessen machen. «Viele versuchen, eine psychische Erkrankung, Stress bei der Arbeit oder Streit mit dem Partner oder der Partnerin mit dem Trinken zu betäuben.»

3. Wo fängt ein Alkoholproblem an?

Suchtexperte Wopfner unterscheidet beim Alkoholkonsum zwei Stufen: ein riskantes Trinkverhalten und die Abhängigkeit. Eine Sucht werde vor allem dann deutlich, wenn Betroffene sich im Alltag merklich anders verhalten: «Wenn jemand morgens vor lauter Kater seine Aufgaben nur schwer bestreiten kann oder in Situationen alkoholisiert ist, in denen er eigentlich parat sein müsste, sind das ganz deutliche Warnsignale.»

4. Ab wann ist zu viel zu viel?

Da gibt es Richtwerte. Gemeinhin wird Frauen empfohlen, nicht mehr als ein Glas Bier oder Wein pro Tag zu trinken. Bei Männern sind es zwei Gläser. Wer darüber liegt, könnte ein Suchtproblem haben.

5. Was tun, wenn ich jemanden kenne, der zu viel trinkt?

Wenn jemand im Umfeld süchtig sein könnte oder zumindest zu viel trinkt, empfiehlt Alexander Wopfner, das Thema offen anzusprechen: «Das passiert leider viel zu selten, weil Alkoholsucht eben immer noch ein tabuisiertes und stigmatisiertes Thema ist.»

Diese Vorsicht sei für die Betroffenen allerdings sehr schädlich. «Es hilft in einem Gespräch eher, die Sorgen anzusprechen, die man hat, statt Vorwürfe zu formulieren.»

6. Was ist bei so einem Gespräch wichtig?

Möglichst nicht wertend formulieren und konkrete Situationen schildern: «Wenn ich sage ‹Du hast ein Alkoholproblem› klingt das erst mal nach einer Anschuldigung. Die Person wird sich höchstwahrscheinlich zurückziehen. Wenn ich aber vor allem meine Eindrücke und Gefühle schildere, ist die Gesprächsbasis eine andere.»

Oft bringe so ein Gespräch Menschen dazu, sich über das eigene Problem bewusst zu werden – und sich dann vielleicht auch professionelle Hilfe zu suchen.

Anlaufstellen für Betroffene und Angehörige

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SRF2 Kultur, Kultur Aktualität, 24.09.2020, 08:06 Uhr. ; 

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