Zum Inhalt springen

80 Jahre Alice Schwarzer Alice Schwarzer: So engagiert wie umstritten

Die deutsche Publizistin wird am Samstag 80 – und streitet immer noch. Sabine Derflinger hat eine Doku über Alice Schwarzer gedreht. Wie sieht sie die Feminismus-Vordenkerin?

Kaum jemand hat sich in der letzten Zeit so ausführlich mit Alice Schwarzer beschäftigt wie die österreichische Filmemacherin Sabine Derflinger. Ihr Dokumentarfilm «Alice Schwarzer» lief diesen Frühling in der Schweiz in den Kinos.

Derflinger ist äusserst beeindruckt von der deutschen Publizistin: «Zu ihren grössten Verdiensten gehört für mich, dass sie den Feminismus in den Mainstream gebracht und aus einer Spezialdebatte herausgeholt hat.» Dank Schwarzer sei der Feminismus übers Fernsehen in alle Haushalte vorgedrungen.

Zankapfel Transsexualität

Inzwischen gibt es unter Feministinnen und Feministen jedoch auch Kritik an Schwarzer. So wird ihr etwa vorgeworfen, dass sie transfeindliche Postionen vertrete.

«Man kann sich nicht Feministin nennen, wenn man Transmenschen ihre Existenz und Würde abspricht», monierte im Mai etwa die Schweizer Aktivistin Anna Rosenwasser. Dies, weil Schwarzer der Ansicht ist, dass Transpersonen den Zielen des Feminismus widersprechen würden.

Keine Scheu vor Konflikten

Derflinger will davon nichts wissen: Dass Alice Schwarzer provoziere und mit ihren Standpunkten selbst bei Weggefährtinnen von früher anecke, gehöre einfach zu ihr, findet die Filmemacherin: «Sie hat eine Nase für eingängige politische Themen. Schliesslich ist sie Journalistin und scheut sich nicht vor Konflikten.»

Dadurch, dass sie klar Stellung beziehe, gelänge es Schwarzer immer wieder, Themen überhaupt ins Gespräch zu bringen, ist Derflinger überzeugt: «Sie ist immer am Puls der Zeit oder manchmal auch ihrer Zeit voraus – darum wird sie auch manchmal angegriffen.»

Angegriffen wurde Schwarzer auch jüngst wegen ihrer Haltung zum Ukrainekrieg, mit der sie viele vor den Kopf stiess. Sie hatte gefordert, keine Waffen an die Ukraine zu liefern.

Schwarzers Position in der Kopftuchdebatte bezeichnen linke Kreise gar als konservativ. Zu Unrecht, sagt die Filmemacherin.

«Sie hat leider recht behalten»

Gerade was die Islamismusdebatte betreffe, könne man «jetzt, nach den Vorfällen in Afghanistan und nach dem, was im Iran gerade passiert, sehen, dass Schwarzer recht behalten hat – leider.» Viele ehemalige Gegnerinnen und Gegner würden inzwischen auch zugeben, sich geirrt zu haben, so Derflinger.

Es sei eine Stärke von Schwarzer, immer an den wichtigen Frauenthemen dranzubleiben und sie in die Öffentlichkeit zu tragen. Doch der Schlagfertigkeit und Debattierfreude von Alice Schwarzer mögen sich offenbar selbst ihre Kritikerinnen und Kritiker nicht immer aussetzen.

«Es gibt den Vorwurf an mich, dass zu wenige kritische Stimmen im Film vorkommen», so Derflinger. Sie habe jedoch viele von Schwarzers Gegnerinnen und Gegner an Podiumsgespräche eingeladen, bei denen Schwarzer selbst auch anwesend war, etwa zum Thema Prostitution. «Es ist einfach niemand gekommen.»

An ihrem Dokumentarfilm würde die Filmemacherin auch neun Monate nach der Fertigstellung und etlichen Debatten nichts ändern. Im Gegenteil: Er sei aktueller als je zuvor. «Etwa, wenn ich an das Thema Abtreibung denke – siehe die USA.»

Infos zum Film

Box aufklappen Box zuklappen

«Alice Schwarzer» ist in der Schweiz derzeit via Sky als Video-on-Demand verfügbar, ab Mitte Januar auch auf filmingo.ch. In Deutschland läuft der Film noch im Kino.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 02.12.2022, 08:06 ; 

Meistgelesene Artikel