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Jugendliche über ihre Väter
Aus Kultur Webvideos vom 21.02.2021.
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Alleinerziehende Väter Von der Frau getrennt, nicht von den Kindern

Zwei alleinerziehende Väter erzählen von ihren Alltagssorgen und den schönen Momenten mit Beruf und Kindern.

Nicolas Aebi ist 49 Jahre alt. Er hat drei Kinder von drei verschiedenen Frauen. Von den Müttern ist er getrennt, die Beziehung mit den Kindern ist ihm geblieben.

Mit 23 ist Nicolas Aebi das erste Mal Vater geworden. Dass er sich die Erziehung mit der Mutter teilt, war von Anfang an klar: «Die Mutter wollte arbeiten. Und ich habe immer schon gedacht, wenn ich mal Vater werde, will ich nicht nur das Geld nach Hause bringen, sondern auch präsent sein. Das war mir wichtig, sonst hätte ich keine Kinder gemacht.»

Bindung muss vorher bestehen

Mit 30 Jahren wird Nicolas Aebi das zweite Mal Vater und dann nochmal mit 40. Die Erziehung und Fürsorge für die Kinder habe er sich immer mit der jeweiligen Mutter geteilt.

Ein Mann steht in einem Garten, im Hintergrund ist ein Schlitten zu erkennen.
Legende: Für Nicolas Aebi war es immer selbstverständlich, dass er sich um seine Kinder kümmert. Sonst hätte er keine bekommen, sagt er. SRF / Oscar Alessio

Mit seiner Arbeit als Fotograf ging das streckenweise gut: «Zeitweise hat man nicht vor zwölf Uhr angefangen zu arbeiten. Da haben die Mütter gearbeitet und ich konnte mich viel um die Kinder kümmern. Ich habe das immer gerne gemacht.»

Wenn sich die Väter vor der Trennung in der Familie fürsorglich in die Kindererziehung einbringen, sei das auch nachher kein Problem. Beginnen sie damit erst im Moment der Trennung, führe das zu Problemen, sagt auch Christoph Adrian Schneider von Männer.ch, dem Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen.

Schneider rät demzufolge zu einer «engagierten Präsenz» in der Erziehung während einer Partnerschaft: «Der Bezug zu den Kindern ist sonst nicht vorhanden. Die Zeit mit ihnen kann nicht kompensiert werden.»

Haben alleinerziehende Väter spezifische Probleme?

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Legende: Fabian Herzog

3 Fragen an den Psychologen Christoph Adrian Schneider.

SRF: Wie ergeht es Männern, wenn sie sich nach einer Trennung mehr um die Kinder kümmern wollen?

Christoph Adrian Schneider: Sollte es zu einer Trennung kommen, ist es ganz entscheidend, wie viel sich der Vater vor der Trennung in das Familienleben eingebracht hat.

Wenn die Kindererziehung Aufgabe der Mutter und der Vater vor allem Ernährer war, dann wird sich das nach der Trennung nicht so einfach ändern können, weil der Bezug zu den Kindern nicht vorhanden ist.

Ich denke, diese Männer haben nach der Trennung Schwierigkeiten, in die neue Rolle rein zu finden.

Haben Männer grössere Probleme mit der Vereinbarkeit von Kindererziehung und Arbeit?

Wenn man eine Mutter fragt, «wie viel arbeitest du?», und sie sagt: «80 Prozent», dann heisst das, dass die Kinder die restliche Zeit in die Kita gehen. Beim Mann ist es anders. Unter 80 Prozent müssen sich Männer in der Regel dafür rechtfertigen, dass sie nur zu 80 Prozent für den Erwerb zuständig sind. Dass sie zu Hause für die Kinder sorgen, wird nicht gleichgesetzt mit der bezahlten Arbeit.

Wir leben in einem Staat, der Eltern nicht so unterstützt, wie es eigentlich sein sollte. Wir haben keine unterschiedlichen Elternzeit-Modelle in der Schweiz, wir haben einen Vaterschaftsurlaub von zwei Wochen. Das sind Defizite. Weitere sind es Teilzeitmodelle für Männer, Mittagstische und Kita-Plätze, die fehlen. Da haben wir noch grosse Lücken. In der Schweizer Verfassung steht Gleichstellung in allen Lebenslagen. Das ist in der Realität von Eltern anders erlebbar.

Haben Väter, die sich aktiv an der Sorge um die Kinder beteiligen, eine Sonderrolle? Wie werden sie wahrgenommen, wenn sie beispielsweise mit den Kindern zum Arzt oder Kleidung einkaufen gehen?

Ich glaube, es gibt hier den Generalverdacht, dass sie das nicht können. Ich denke, das darf ich sagen mit Söhnen im Alter von 12 und 10 Jahren und über 10 Jahren Berufserfahrung als Psychologe.

Ich glaube, Väter spüren, dass Augen auf sie gerichtet sind mit einem grossen Fragezeichen: «Kann er das? Wo ist die Mutter?»

Ausschnitt aus einem Gespräch, das Katrin Becker für die Sendung «Kontext» führte.

Nicolas Aebi hat sich von Beginn an für die Familie engagiert. Das wurde ihm von seinen Eltern so vorgelebt. Und er hat erfahren, wie sich das nach einer Trennung fortsetzen kann. Er sei selbst Scheidungskind, habe vier Tage in der Woche bei der Mutter und drei beim Vater gelebt. «Das ging gut», sagt er rückblickend.

In Frieden auseinandergegangen

Vor acht Jahren erkrankt die Mutter von Aebis zweitem Sohn, so dass dieser zu ihm zog. Nicolas Aebi hatte zu der Zeit verschiedene Jobs als Fotograf. «Aber das ging natürlich nicht mehr, ich musste für das Kind da sein und habe dann 2012 gekündigt.» Aebi arbeitet seither freiberuflich.

Dann kam noch ein drittes Kind hinzu, auch dieses Kind zog Aebi erst gemeinsam mit der Mutter gross. Aber auch diese Beziehung ging – im Frieden – auseinander.

Mit zweien der Mütter hat Nicolas Aebi ein gutes Verhältnis, mit der Mutter seines ersten Sohnes und deren neuem Partner ging er sogar zusammen mit den Kindern in die Ferien.

Im Normalfall gibt es massive Probleme

So etwas sei allerdings eine Ausnahme, sagt Gaudenz Löhnert, Leiter des Männerbüros Region Basel. Bei Trennungen seien «Streitigkeiten um Unterhalt und Sorgerecht der Normalfall». Auch nach vollzogener Trennung könne es massive Probleme geben, «wenn etwa Wut und Enttäuschung dazu führt, das Kind vom Partner wegzuhalten» oder der Erziehungsstil des Ex-Partners manipulativ vor dem Kind kritisiert «und dieses so in Loyalitätskonflikte» gebracht werde.

Ein Mann im Norweger-Pullover hält eine Kaffeetasse in der Hand und blick tin die Kamera.
Legende: Für Nicolas Aebi ist es kein Problem, die Kinder alleine zu erziehen. Besser fände er es aber, Sorge und Sorgen zu teilen. SRF / Oscar Alessio

Heute hat Nicolas Aebi «zu allen drei Kindern eine intensive Beziehung», wie er selbst sagt. Der Älteste ist 25. «Der ruft nicht mehr jeden Tag an.» Er vermisse ihn. Der Zweite ist 16, lebt seit acht Jahren ausschliesslich bei Aebi und hat «gerade eine Lehrstelle in seinem Traumberuf gefunden.» Die Jüngste ist 11, sie kommt an den Wochenenden, auch unter der Woche, aber «feste Tage lassen sich in der Corona-Zeit kaum einhalten».

Zusammen Kinder zu erziehen sei schön, weil man es sich teilen könne, es entlaste. Prinzipiell sei es heute schwierig, Beruf, Kinder, Partnerschaft und Freizeit unter einen Hut zu bringen. Das sei keine Kritik am Zeitgeist, es sei einfach so. Allein zu erziehen sei für ihn kein Problem, allerdings sei es für die Kinder besser, wenn sie mit einer «weiblichen und einer männlichen Energie» aufwüchsen, findet Aebi.

Unterschiede bei der Beziehung

Alleinerziehende Mütter würden vielleicht ausgewogener kochen als alleinerziehende Väter, sagt er und lacht. Wobei das in seinem Fall nicht stimme, er koche sehr gerne.

Ein Mann schneidet in der Küche eine Zwiebel und blickt in die Kamera. Am Unterarm ist er tätowiert.
Legende: Eine enge Bindung durchs Stillen konnte Nicolas Aebi selbstverständlich nicht aufbauen. Aber er kocht ausgewogen und zeigt seine Fürsorge auch auf anderen Ebenen. SRF / Oscar Alessio

Einen Unterschied sieht er in der Tatsache, dass die Mutter das Kind zur Welt bringe und stille, da gebe es während der ersten Jahre eine nähere Bindung. Es hänge aber nicht immer vom Geschlecht ab, sondern sei eher von Mensch zu Mensch verschieden.

Auch Männer könnten nahe Beziehungen entwickeln. Wenn er merke, dass seine Tochter «manchmal mehr Zuwendung braucht als die Jungs», sei er durchaus in der Lage, ihr diese Nähe und Wärme zu geben.

Die Ängste sind dieselben

«Ansonsten plagen Männlein und Weiblein ähnliche Sorgen», sagt Nicolas Aebi. Es könne jedem passieren, dass er oder sie mal in der Badi ist, «20 Sekunden nicht hinguckt und schon steht das zweijährige Kind auf dem 5-Meter-Brett»

Das sei immer sein grösster Horror gewesen, dass da was passiert. «Da kann ich auf Holz klopfen, keine Verstauchung, nichts. Und das sind immerhin über vierzig gelebte Jahre, wenn man die Kinderjahre zusammenzählt. Das macht mich stolz, dass man gut geschaut hat.»

Über Sorgen sprach er mit seinen Eltern, Freunden und: «Wir haben eine grosse Familie. Da tauscht man sich wie selbstverständlich aus.»

Männer tauschen sich selten aus

Das ist nach Gaudenz Löhnerts Erfahrungen im Basler Männerbüro eher die Ausnahme. Männer tauschten sich selten aus, es brauche einiges, bis sie beratende Unterstützung annähmen: «Wenn sie kommen, dann sagen sie, sie hätten schon fünfmal die Website angeschaut, aber immer gezögert.»

Das bestätigt auch die Schweizer Familienforscherin Margrit Stamm. Sie sagt, Männer würden immer mehr zum schweigenden Geschlecht. «Sie fressen ihre Probleme in sich hinein. Sie trauen sich nichts mehr zu, und sie trauen sich vor allem auch nicht, mit den Frauen in einen Diskurs zu treten. Weil sie sowieso angeprangert werden.»

Brauchen wir neue Rollenbilder?

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Legende: Raffael Waldner

3 Fragen an Familienforscherin Margrit Stamm.

SRF: Warum haben Männer grössere Probleme damit, Familie und Beruf zu vereinbaren?

Margrit Stamm: Es wird heute häufig so dargestellt, als ob sich Väter einfach mehr auf die Hinterbeine stellen müssten, und dem Chef klarer aufzeigen, was sie wirklich wollen.

Das kann der Fall sein. Aber häufig arbeiten Väter nach wie vor in männerdominierten Berufen. Sie haben häufig Chefs, die Familienväter sind, aber vielleicht eine sehr traditionelle Frau haben. Oder eine, die sie voll und ganz unterstützt. Zudem ist es schwierig, Forderungen zu stellen, denn dann werden einem sofort mögliche Karriereeinbrüche signalisiert.

Wenn wir von Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprechen wollen, müssen wir auch die Probleme der Väter in den Blick nehmen. Es nicht zu ihrer persönliche Sache machen, ob es ihnen gelingt, bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie Durchbrüche zu erzielen. Das ganze System verlangt den Vätern viel ab, das nicht nur auf ihre persönliche Motivation oder auf ihre Durchsetzungsfähigkeit reduziert werden kann.

SRF: Braucht es neue Rollendefinitionen statt der alten Stereotype?

Nach unserer Tarzan-Studie, einer Studie über Vorurteile gegenüber Müttern und Vätern, haben ein Drittel der Väter noch alte, stereotype Vorstellungen. Andere möchten sich weiterentwickeln, haben aber wenige Vorbilder.

Woher sollen sie diese Vorbilder nehmen? Ihre eigenen Väter waren sogenannte traditionelle Väter, wenn auch nicht alle. Die jungen Männer möchten anders sein.

Es ist in unserer Gesellschaft aber nach wie vor so, dass sich das männliche Muster als Folie über das Verhalten von Männern legt. Das heisst, sie werden als Softies wahrgenommen, wenn sie eine intensivere Beziehung zu den Kindern und partnerschaftliche Verhältnisse wollen.

Was braucht es, damit sich diese Rollenbilder ändern?

Wenn wir Gleichstellung wollen, müssten wir viel stärker Männer und Frauen als in ihren Anliegen gleichberechtigt verstehen und nicht Frauen als Opfer und Männer als Täter. Das ist keine gute Grundlage. Wir wiederholen alte, traditionelle Muster, die eigentlich keinem Geschlecht dienen, das ist für mich das Hauptproblem.

Männer werden immer mehr zum schweigenden Geschlecht. Sie fressen ihre Probleme in sich hinein. Sie trauen sich nichts mehr zu und sie trauen sich vor allem auch nicht, mit Frauen in einen Diskurs zu treten, aus Angst, sowieso angeprangert werden.

Ausschnitt aus einem Gespräch, das Katrin Becker für die Sendung «Kontext» führte.

Plötzlich allein, aber nicht verloren

Benno Stupf war plötzlich allein mit zwei Kindern. «Sie war zu Hause, ich ging arbeiten. Als die Kinder grösser wurden, hat sie eine Ausbildung begonnen, und so bin ich nach der Arbeit gleich nach Hause und habe übernommen. Sie war fast fertig mit der Ausbildung, da ist es passiert. Verkehrsunfall. Sie war von einem Moment auf den anderen tot. Wir waren fast zehn Jahre verheiratet, die Kinder waren acht und neun Jahre alt. Für mich war der Verlust dramatisch und tragisch – auch für die Kinder. Aber ich war 50 Jahre alt, hatte schon viel Erfahrung. Ich war nicht verloren.»

Ein Mann repariert mit einem Jugendlichen in der Garage ein Fahrrad.
Legende: Benno Stupf hat sich nicht als schlechte Mutter gefühlt. Aber in einigen Fällen benachteiligt gegenüber Müttern. SRF / Oscar Alessio

Das Emotionale brauche seine Zeit. Trotzdem habe er sofort wieder funktionieren müssen. «Ich habe das vorher schon gerne gemacht, das Hüten, das Erziehen. Ich würde mich eher als modernen mitteleuropäischen Vater sehen.» Es war viel mehr Verantwortung. «Nichts wirklich Neues, keine neue Rolle», denn er habe sich immer beteiligt, vor der Ehe seinen eigenen Haushalt geführt. «Also ich wusste, worum es geht.»

Unterstützung fand er kaum in der Familie. «Die ist über viele Länder verteilt.» Aber die Dorfgemeinschaft half, die Schule zeigte sich verständnisvoll, der Arbeitgeber kulant. Aber nach einer Zeit hiess es: zurück zur Arbeit.

Wenn Benno Stupf morgens losmusste, schliefen die Kinder noch, mussten alleine aufstehen und in die Schule. «Ich musste ihnen viel zumuten.» Erst abends kehrte er heim. Das konnte nicht lange gut gehen. Er wurde arbeitslos. Die Familie lebte vom Arbeitslosengeld. Das ging eine Zeit.

Kinder mussten ins Internat

Es wäre nicht machbar gewesen, voll zu arbeiten und sich noch um die Kinder zu kümmern. Das wäre selbst mit allen Nachbarn und allem Entgegenkommen von Schulen nicht gegangen. Es brauchte eine neue Lösung. Die Kinder waren einverstanden, eine Zeit lang ins Internat zu gehen. Benno Stupf arbeitete wieder voll, am Wochenende war die Familie beisammen.

Ein Mann steht am Herd und Kocht, neben ihm steht eine Schale mit frischem Obst.
Legende: Benno Stupf hat vor den Kindern einen eigenen Haushalt geführt, das war nicht neu. Alleine die Verantwortung für die Kinder zu tragen aber schon. SRF / Oscar Alessio

In dieser Zeit versuchte er, den Kindern Wärme, Geborgenheit und Sicherheit zu geben, so gut es ging: «Ein Vater kann genauso eine gute Mutter sein, wie eine Mutter ein guter Vater sein kann.»

Die klassischen Zuschreibungen von männlichen und weiblichen Verhaltensweisen findet er schwierig: «Ich kenne Mütter, die sind emotional kühler, eher Kopfmenschen und ich kenne Männer, die sind emotional und Herzmenschen. Unterschiede bestehen zwischen Menschen weniger zwischen Geschlechtern.»

Die Schweizer Familienforscherin Margrit Stamm hat mit der Tarzan-Studie Mythen und Vorurteile untersucht, die über Väter und Mütter bestehen. Ein Mythos ist der, die Mutter sei von Natur aus die bessere Erzieherin, die fürsorglichere Person. «Dieses Vorurteil ist wissenschaftlich widerlegt, aber noch immer weit verbreitet. Im ersten Moment war ich schockiert, als ich die Ergebnisse gelesen habe. In unserer Studie waren 60 Prozent der Frauen und fast 70 Prozent der Männer noch immer dieser Ansicht, und das war im Jahr 2018», sagt Margrit Stamm.

«Zahlt euren Frauen die AHV»

Benno Stupf hat sich nicht als schlechte Mutter gefühlt. Negative Reaktionen habe er als Alleinerziehender keine wahrgenommen, Bewunderung auch nicht. Aber er hat sich anders benachteiligt gefühlt. Denn die Frage blieb, wie man als Alleinerziehender Familie und Job unter einen Hut bekommt.

Das Besondere an seiner Situation war: Eine Frau könnte von einer Witwenrente leben, ein Mann nicht. Denn: «Die Männer vergessen ihrer eigenen Frau die AHV zu zahlen. Darum mein Rat an alle Männer, die verheiratet sind: Zahlt euren Frauen den Minimalbetrag der AHV, IV, Witwen- und Waisenrente. 10 Jahre lang, dann gibt’s was.»

Ein Mann blickt freundlich in die Kamera. im Hintergrund ist ein Holzhaus zu erkennen.
Legende: Benno Stupf kam gut zurecht als alleinerziehender Vater, wollte aber nicht allein bleiben. Heute lebt er in einer Patchwork-Familie. SRF / Oscar Alessio

Heute ist die Familie wieder beisammen, die Kinder sind grösser. Sie hätten ein intensives Verhältnis, sagt Benno Stupf. Einfach sei es nicht gewesen als Alleinerziehender, «aber ich finde nicht, dass es die Schwierigkeit gab, dass ich keine Frau bin. Es kommen Momente in der Adoleszenz von Kindern, wo man erklären muss, wie das läuft mit der Periode und mit der ganzen Körperhygiene und so, das ist ein bisschen, nun ja ... Aber man kann das schon machen. Da gibt's halt Hindernisse, die kann man überwinden».

Audio
Warum Väter seltener Verantwortung übernehmen dürfen und können.
aus Kontext vom 21.02.2021. Bild: KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER
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«Politisch gibt's noch was zu tun»

Ob als Elternpaar, alleinerziehend oder in einer Partnerschaft, noch nie sei so viel möglich und akzeptiert gewesen wie heute, sagt Stupf. Aber einen Wunsch hat er noch: «Gleichberechtigung. Wenn das mal so weit wäre. Super. Rentenalter gleich, Renten gleich. Verdienst gleich. Dann gebe es auch nicht mehr grosse finanzielle Löcher.»

Also politisch gebe es noch was zu tun. Nicht extra für Männer, die alleinstehend sind, sondern ganz grundsätzlich: «Wenn man Frauen und Männer gleich behandeln würde, hätten wir auch in dieser Beziehung weniger Probleme.»

Etwas wollte Benno Stupf immer anders machen, als er es in seiner Familie erlebt hat. Sein Vater starb mit 37 Jahren. In exakt dem Alter verstarb auch seine Frau. Seine Mutter blieb allein: «Eine Witwe.» Stupf wollte das nicht, allein bleiben. Heute lebt er in einer Patchwork-Familie.

Wie ist ein Mann ein guter Vater?

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Legende: Raffael Waldner

2 Fragen an Familienforscherin Margrit Stamm.

SRF: Wie misst man, ob ein Mann ein guter Vater ist?

Margrit Stamm: Die deutschsprachige Väterforschung konzentriert sich stark auf die sogenannte Väterpräsenz. Der gute oder moderne Vater wird ausschliesslich daran gemessen, wie viel er zu Hause ist. Wenn wir aber anglo-amerikanische Vaterschaftskonzepte anschauen, sieht es ganz anders aus. Die haben viel umfassendere Konzepte, auf denen sie mit den Forschungen aufbauen.

Das sind meistens Drei-Säulen-Konzepte: Die erste Säule ist diejenige, auf die wir und hierzulande fokussieren, nämlich die Präsenz, die direkten Fürsorgeleistungen des Vaters. Ist der Vater anwesend, betreut er die Kinder, tauscht er sich aus?

Die zweite Säule fokussiert auf indirekte Fürsorgeleistungen. Das sind Leistungen, die beispielsweise das Einkaufen, Kochen, Waschen, die gedankliche Beschäftigung mit dem Kind betreffen. Das wird bei uns nicht recht begutachtet.

Die dritte Säule ist die längerfristige Verantwortlichkeit, auf die Arbeit ausserhalb der täglichen Routinen. Dazu gehört beispielsweise die finanzielle Verantwortung.

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese internationalen Konzepte auf drei Säulen basieren, während in der Schweiz eigentlich nur die erste Säule zentral ist. Die Frage nach der Anwesenheit. Das ist meines Erachtens keine umfassende Beschreibung der väterlichen Leistung, sie wird vielen Vätern nicht gerecht.

SRF: Das heisst, legt man das Konzept dieses umfassenden Vaterbildes zugrunde, dann schneiden die hiesigen Väter gar nicht so schlecht ab?

Genau. Wir haben in unserer Studie natürlich auch geschaut, wer die Väter sind, die in unserer Studie mitgemacht haben. Da sieht man, dass es nach wie vor sogenannte traditionelle Väter gibt, die auf dieser ersten Säule etwas präsent sind und auf den anderen beiden Säulen weniger. Aber man hat auch in unserer Studie gesehen, dass sich selbst die traditionell orientierten Väter viel stärker mit den Kindern beschäftigen als noch vor 15 Jahren.

Ausschnitt aus einem Gespräch, das Katrin Becker für die Sendung «Kontext» führte.

Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 22.2.2021, 09:02 Uhr.

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