Immer weniger Schweizerinnen und Schweizer gehen den Bund der Ehe ein. Vor allem kirchliche Trauungen haben einen schweren Stand. Doch längst gibt es Alternativen: freie Trauungen. Trauredner Pascal Hiltbrand über die Notwendigkeit von Ritualen, den Zauber einer Zeremonie und ein «Juhuu», das für Heiterkeit sorgte.
SRF: Sie sind seit knapp fünf Jahren Trauredner. Sind Sie selbst verheiratet?
Pascal Hiltbrand: Noch nicht. Vielleicht werden wir noch heiraten, wer weiss? Wir wissen aber nicht, ob wir ein grosses Fest machen würden.
Warum heiraten Menschen überhaupt?
Oft, weil dann rechtlich alles geregelt ist. Und wenn man schon heiratet, kann man auch gleich ein grosses Fest dazu machen.
Eine rechtliche Ehe ist aber, im Gegensatz zu einer kirchlichen, keine Voraussetzung für eine freie Trauung. Es kommt also auch vor, dass ich mit Menschen eine Hochzeit ohne vorherigen Gang zum Standesamt feiere. Ich erlebe auch viele Menschen, die schon immer heiraten wollten, weil sie das einfach schön finden. Oder romantisch.
Was ist das Besondere an einer freien Trauung?
Das Besondere ist, dass die Liebesgeschichte des Paares im Zentrum steht. Eine freie Trauung ist sehr persönlich. Sie wird zusammen mit dem Paar kreiert, das alles selbst bestimmen kann.
Wie sie hinein- und dann wieder hinausschreiten, welche Musik gespielt wird, welche symbolischen Handlungen sie machen möchten. Auch das Eheversprechen, die Frage, die sie mit «Ja» beantworten, können sie selber aussuchen oder sogar selber schreiben.
Was wünschen sich Hochzeitspaare häufig für ihre Trauzeremonie?
Klassische Elemente sind häufig. Die Braut läuft mit jemandem hinein, Liebesgeschichte, Ja-Wort, Ringtausch, Hochzeitskuss, ein gemeinsamer Abgang als Ehepaar.
Es gibt aber auch Bräute, die auf dem Pferd zur Zeremonie reiten, Paare mit Tattoos statt Ringen und solche, die zusätzliche symbolische Handlungen wie einen Baum pflanzen oder ein «Ringwarming».
Was ist das?
Beim «Ringwarming» wird ein Band vom Hochzeitspaar aus durch alle Gäste gegeben – ein Band, das symbolisch alle miteinander verbindet. Ganz hinten werden dann die Eheringe aufgefädelt und gleiten dann nach vorne. Dadurch können die Gäste die Ringe mit ihren guten Wünschen für das Hochzeitspaar aufladen.
Warum sind traditionelle Rituale für manche Paare wichtig?
In unserer modernen Gesellschaft haben wir viele Rituale verloren. Winter- oder Sommersonnenwende und Erntedankfest etwa sind nicht mehr so wichtig, weil uns der Bezug zu ihnen fehlt.
Ich empfinde das Ja-Wort immer als etwas sehr Schönes.
Einige Rituale bleiben aber zu Recht erhalten. Es gibt einem Halt, man weiss, wie man sich auf einer Hochzeit verhalten soll: nämlich sich chic anziehen, beim Kuss applaudieren, gratulieren und feiern. Der Ablauf ist tief in uns verankert.
Neben der Beerdigung und der Willkommensfeier ist die Hochzeit eines der wenigen Rituale, die wir noch erhalten haben.
Welches Ritual bereitet Ihnen viel Freude?
Ich empfinde das Ja-Wort immer als etwas sehr Schönes. Nachdem ich das Eheversprechen stellvertretend gesprochen habe, hole ich das Ja-Wort so ab: «Dann bestätige das mit einem klaren und deutlichen ‹Ja›.»
Das ist meistens ein lustiger Moment. Ich halte dann das Mikrofon zur angesprochenen Person, sodass alle hören können, was sie sagt. Eine Braut rief einmal laut: «Juhuu!»
Bei kirchlichen Trauungen wird die Ehe unter göttlichen Segen gestellt und als unauflöslich betrachtet. Gibt es auch bei der freien Trauung ähnliche Aspekte?
Ich legitimiere das Ja-Wort nie mit Gott, sondern meist mit der Gemeinschaft: «Und somit erkläre ich euch, stellvertretend für alle Anwesenden, ganz feierlich zu Mann und Frau.»
Und auch wenn ich nie explizit eine transzendente Dimension erwähne – man kann es an einer Hochzeit am ganzen Körper spüren.
In Ihrer Arbeit müssen Sie sich viel mit menschlichen Emotionen, aber auch Erwartungen auseinandersetzen. Was lernen Sie durch Ihren Beruf?
Ich lerne, schnell auf die Leute einzugehen. Zu spüren, was sie möchten und wie ich mit ihnen die Zeremonie gestalten kann, die sie sich wünschen.
Haben Sie persönliche Regeln als Trauredner?
Als ich angefangen habe, habe ich mir ein Rollen-Leitbild erstellt. Daran orientiere ich mich bis heute. Es ist ein Ideal, wie ich als Trauredner sein möchte. Ein Punkt ist, dass ich nichts Christliches mache.
Ich mag es, in Momenten dabei zu sein, in denen Menschen ganz weich werden.
Warum schätzen Sie den Beruf?
Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen. Ich spreche gerne vor Leuten und erzähle gerne Geschichten. Ich mag es, in Momenten dabei zu sein, in denen Menschen ganz weich werden. Das erstaunt mich immer wieder.
Ich erinnere mich noch genau an meine erste Hochzeit. Das Paar hat «Ja» gesagt und beim Tauschen der Ringe gezittert. Dann hat es auch noch geblitzt und gedonnert!
Alle waren in Tränen aufgelöst – und ich war hautnah dabei. Durch diesen Rahmen der Hochzeit kommt aus Menschen plötzlich ihr sanftester, schönster Aspekt zum Vorschein.
Welches Ritual würden Sie sich für Ihre eigene Hochzeit wünschen?
Ich könnte mir ein «Elopement» vorstellen – nur zu zweit in der Natur. Vielleicht zusammen wandern, sich tief in die Augen schauen, Ängste und Wünsche kommunizieren und ein Vermählungsritual mit Feuer machen.
Das Gespräch führte Hannah Krug.