Worum geht es in der Debatte? Berliner Kulturschaffende sollen in Zukunft nur noch dann Förderung vom Staat erhalten, wenn sie die Anti-Diskriminierungsklausel unterzeichnen und sich damit gegen Antisemitismus bekennen. In einem offenen Brief bekunden sie ihren Ärger darüber und sprechen von einem «Bekenntniszwang». Umstritten ist vor allem die Definition von Antisemitismus, auf die sich die Klausel beruft.
Wie wird Antisemitismus definiert? Im Jahr 2016 hat die Internationale Holocaust Erinnerungsallianz (IHRA) für Antisemitismus eine Definition aufgestellt . Diese wurde in der Schweiz anerkannt – auch der Schweizerisch Israelitische Gemeindebund setzt sich dafür ein und empfiehlt sie an Organisationen. «Die Antisemitismus-Definition des IHRA besagt in ihrem Kern, dass Antisemitismus eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden vereinigt, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann», erklärt deren Generalsekretär Jonathan Kreutner. Ausserdem werden Beispiele aufgezeigt, die erklären, was unter Antisemitismus verstanden werden kann.
Was kritisieren die Kulturschaffenden an der neuen Klausel? Kritisiert wird vor allem, dass der Interpretationsspielraum sehr gross ist, was als antisemitisch angesehen werden kann und was nicht. Kreutner sieht die Definition der Berliner Klausel eher als eine Orientierungshilfe, die nicht auf jeden einzelnen Fall angewendet werden kann. Man müsse jeden Fall von Antisemitismus mit Augenmass prüfen, erklärt Kreutner: «Es ist nicht immer alles eindeutig, aber auf viele Fälle kann man die ausgearbeitete Definition in der Klausel anwenden.»
Gibt es in der Schweiz bereits Anti-Diskriminierungskriterien im Bereich der Kulturförderung? Die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia bearbeitet jährlich 6000 Gesuche für Kulturförderung. Mit der «Anti-Harassment Policy» hat die Stiftung Richtlinien für ein sicheres Arbeitsumfeld geschaffen, die auf der Schweizer Bundesverfassung basieren. In der Verfassung ist wiederum ein Diskriminierungsverbot verankert.
Was soll diese Policy bewirken? Mit der Policy wolle man aufklären und ein Bewusstsein schaffen, erklärt Pro Helvetia-Direktor Philippe Bischoff. Das wirke auch, so Bischoff. Allerdings sei klar, dass eine solche Thematik nicht von einem auf den anderen Tag geklärt werden könne. Veränderungen müssten vor allem langfristig gedacht werden. Pro Helvetia könne sich grundsätzlich auch eine Verschärfung der Auflagen bei der Kulturförderung vorstellen. Dazu sähe man in der Schweiz aber aktuell keinen Bedarf.