Bis 1938 lebten Italiens Juden im Duce-Reich unbehelligt. Untersuchungen zeigen, dass eine Mehrheit von ihnen politisch konservativ war und nicht viel gegen Benito Mussolini einzuwenden hatte.
Umso schockierender empfanden sie die Einführung der Rassengesetze 1938. Ein Akt Mussolinis, um Adolf Hitler zu gefallen.
Keine antisemitische Tradition
Die Einführung der Rassengesetze traf nicht nur Italiens Juden, sondern auch viele Italiener und überzeugte Faschisten. Anders als in anderen europäischen Ländern finden sich in der italienischen Geschichte keine lebensgefährlichen antisemitischen Radikalismen, die anderswo zu tödlichen Pogromen führten.
Auch wenn für die Päpste die Juden Christusmörder waren und in Ghettos leben mussten: Im Staat der Päpste hatten sie nie um Leib und Leben zu fürchten. Im Gegenteil. Italiens weltliche und kirchliche Herrscher förderten oft ein relativ konfliktfreies Zusammenleben.
Mussolinis Bruch
Mussolini brach mit dieser spezifisch nicht-antisemitischen Tradition Italiens. Dass ein Gutteil seiner faschistischen Kader schon vor 1938 einen Umgang mit den Juden wie im nationalsozialistischen Deutschland befürwortete, nahmen die meisten der Juden nicht besonders ernst.
Umso überraschender trafen sie die Folgen der Rassengesetze. Juden durften fort weder ein Radio noch Haustiere besitzen und mussten alle öffentlichen Ämter aufgeben.
Enteignet und beraubt
Sie wurden systematisch vom Regime ihres Hab und Guts beraubt. Der italienische Journalist Fabio Isman weist in seinem neuen Buch «1938, Italia razzista» nach, wie gründlich das Regime den Juden Immobilien, Autos, Schmuck, Kunstwerke und rituelle Kulturgüter wegnahm – mit dafür verfassten Gesetze und durch Raub und Erpressung.
Isman beschreibt, in umfassender Weise und wie das bisher in Italien noch nicht geschehen ist: Dass der Umgang mit den Juden auch in der Nachkriegszeit nicht gerade besser wurde.
Eine generelle Politik der Entschädigung von Juden gibt es in Italien bis heute nicht. Wollten Juden nach 1945 ihre enteigneten oder geraubten Güter wieder zurückhaben, mussten sie jahrelang darum prozessieren und hohe Gebühren zahlen.
Weder Entschuldigung noch Entschädigung
Fabio Isman klagt ganz offen das Verhalten der italienischen Nachkriegsregierungen zu diesem Thema an. Auch wenn inzwischen viele jüdische Überlebende und Nachkommen einen Teil ihres Eigentums zurückerhalten haben, sind ebenso viele leer ausgegangen.
Privatleute wie jüdische Gemeinden, die es sich erlauben können, suchen deshalb ihre gestohlenen und seitdem verschwundenen Kulturgegenstände und Kunstwerke auf eigene Faust.
Vor allem auf dem internationalen Kunstmarkt. Dort tauchen immer wieder Objekte auf, die man Italiens Juden nach 1938 wegnahm.