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Du willst lange jung bleiben? So hilft dir die Wissenschaft
Aus Kultur Webvideos vom 16.11.2019.
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Ausgebremstes Altern Er will ewig leben

Jeder muss mal gehen, doch Hank Pellissier will nicht. Der Kalifornier ist Proband einer besonderen Verjüngungskur: Der Forscher Greg Fahy behauptet, ihn jünger gemacht zu haben. Steht bald das Lebensende vor dem Aus?

Er habe es geschafft, Probanden seiner Studie zweieinhalb Jahre jünger zu machen: Diese Resultate stellte Greg Fahy, der Chef der kalifornischen Firma Intervene Immune, bereits im Juli auf einer Konferenz in New York vor. Damals nahmen nur Experten und wenige Medien seine Forschung zur Kenntnis.

Aber seit im September sein Artikel in einer Fachzeitschrift erschien und das Magazin «Nature» darüber berichtete, kann sich Fahy vor Anfragen nicht mehr retten. «Die Reaktion war explosiv», sagt der Forscher.

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Ein unbekanntes Organ

Der Fokus von Fahys Arbeit ist die Thymusdrüse. Die wenigsten wissen, wo dieses Organ sitzt: im Brustkorb. Es ist aber lebenswichtig: «Hier werden Zellen aus dem Knochenmark in sogenannte T-Zellen verwandelt, die gegen Bakterien, Viren, Krebs und andere Angreifer kämpfen, die uns umbringen wollen», erklärt Fahy.

Die Drüse spiele eine wichtige Rolle im Alterungsprozess: «Der Thymus beginnt nach der Pubertät zu degenerieren, unser T-Zellen-Vorrat schwindet, wir werden krank und sterben.»

Erst Mäuse, dann Menschen

Schon 1986 war an Mäusen gezeigt worden, dass eine Thymus-Transplantation alte Mäuse wieder jünger machen kann. Fahy setzte es sich zum Ziel, den Thymus, der bei älteren Menschen nur noch aus Fettgewebe besteht, zu regenerieren und damit das Altern auszubremsen.

Er fand neun Freiwillige – er nannte sie die «Thymonauten» – die ein Jahr lang einen Cocktail aus drei bekannten Wirkstoffen zu sich nahmen. Die wichtigste Komponente war das menschliche Wachstumshormon hGH. Dazu kamen zwei Stoffe, die Nebenwirkungen dieses Hormons mildern sollten.

Äusserlich und innerlich verjüngt

Einer der Probanden war Hank Pellissier, ein heute 67-jähriger Kalifornier. Der zählt sich schon lange zu den Transhumanisten, die versuchen, unsere vergängliche Lebensform hinter sich zu lassen (siehe Textbox unten). Er war deshalb sofort bereit, als Versuchskaninchen zu fungieren.

Hank Pellisier trägt eine Brille.
Legende: Will dem Tod noch lange nicht ins Auge schauen: Der Kalifornier Hank Pellissier, 67, liess sich verjüngen. Cayce Clifford

Er stellte fest, dass er sich im Verlauf des Versuchs immer kräftiger fühlte – was nicht überraschend ist, denn das Wachstumshormon lässt die Muskeln schwellen. Aber es gab noch weitere Effekte.

Seine Mutter stellte fest, dass auf einer kahlen Stelle seines ansonsten ergrauten Schädels wieder braune Haare zu spriessen begannen. Und da war noch eine seltsame Nebenwirkung: «Ich wurde manchmal von Musik überwältigt und fing regelrecht an zu weinen, zum Beispiel im Supermarkt», erzählt Pellissier. «Ich habe die Musik tiefer als je zuvor empfunden.»

Transhumanisten: gegen die Vergänglichkeit

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Wieso sollten wir durch die Hinfälligkeit unseres Körpers begrenzt sein? Vor allem in der Start-up-Szene des Silicon Valley boomt die Anti-Aging-Forschung. Verschiedene Biotech-Firmen tüfteln daran, den Alterungsprozess auszubremsen – teils mit absurd anmutenden Methoden.

Sie stossen auf Anklang: Im Silicon Valley verstehen sich viele als «Transhumanisten». Sie wollen die Lebensspanne des Menschen verlängern und ihn irgendwann eins werden lassen mit den von ihm geschaffenen Maschinen.

Sie experimentieren mit Nahrungsergänzungsmitteln, setzen ihren Körper auf Hungerdiät. Und wenn sie sterben, wollen sich viele einfrieren lassen, um später wieder zum Leben erweckt zu werden.

Hank Pellissier, der Proband aus der Fahy-Studie, zählt sich auch zu dieser Bewegung. Allerdings kritisiert er sie auch als elitär: «Die Szene ist voller reicher weisser Männer, die 200 Jahre alt werden wollen.»

Zweieinhalb Jahre jünger

Im fMRT-Scanner war zu sehen, dass die Thymusdrüse der Probanden wieder deutlich gewachsen war. Dann bestimmte Greg Fahy das biologische Alter seiner Probanden mit Hilfe mehrerer epigenetischer Tests. Dabei geht es um eine Art Markierung im Erbgut, die sich im Laufe des Lebens verändert.

Das verblüffende Ergebnis: Am Ende des Versuchs war der Körper seiner Probanden eineinhalb Jahre jünger als zu Beginn des Versuchs. Berücksichtigt man, dass zwischendurch ein Kalenderjahr vergangen war, beträgt der Netto-Effekt sogar zweieinhalb Jahre.

Die Köpfe von zwei Frauen. Ein ist dunkelhaarig, die andere grau.
Legende: Ewiges Leben: Transhumanisten kehren der menschlichen Vergänglichkeit den Rücken. Getty Images / Image Source

Fahy will nun schnellstens neue und grössere Testreihen mit diverseren Probandengruppen durchführen. Da er keine neu entwickelten Medikamente testet, sondern zugelassene Wirkstoffe benutzt, werden seine Versuchsreihen von der US-Medikamentenaufsichtsbehörde FDA schnell genehmigt. Und natürlich will er mit seiner Firma den Drogen-Cocktail irgendwann verkaufen.

Ein Wendepunkt?

«Wenn wir recht behalten, könnte dies ein Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte sein», schwärmt Greg Fahy. «Noch nie ist bei Tieren, geschweige denn bei Menschen das Altern gemäss diesem anerkannten Standard umgekehrt worden.»

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Dann merkt er, dass er doch den Mund recht voll genommen hat, und wird wieder zum eher bescheidenen Forscher.

Bescheidenheit ist auch angesagt. Zwar hat es keine grundsätzliche Kritik an der Arbeit gegeben – aber Skeptiker weisen auf die Mängel hin, die Fahy auch offen eingesteht: Der Versuch hatte nur wenige Probanden, sämtlich Männer um die 60.

Es gab keine Kontrollgruppe, idealerweise mit Menschen, die ein Placebo gespritzt bekommen. Und ob das mit epigenetischen Daten gemessene Alter der Probanden wirklich bedeutet, dass ihre Lebenserwartung gestiegen ist, muss sich noch erweisen. Bis zu einer Pille gegen das Altern ist der Weg noch weit.

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