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Ausgrabung in der Türkei Sensationsfund eröffnet völlig neue Perspektive

In einer türkischen Ruinenstadt wurden 3500 Jahre alte Graffiti der Hethiter gefunden. Sie zeugen von einem untergegangenen Volk mit besonderem Sprachtalent.

Ein Regentag hat Forscherinnen und Forschern in Zentralanatolien in den Ruinen von Hattuscha, der uralten Hauptstadt der Hethiter, einen Sensationsfund beschert. Vom Wetter zu einer Pause bei ihrer Grabung gezwungen, stiessen sie auf Graffiti aus dem zweiten Jahrtausend vor Christus.

Die Archäologinnen und Archäologen fanden hunderte Sprüche in hethitischer Hieroglyphenschrift. Vor 3500 Jahren wurden diese mit Wurzelfarben an die Wände gepinselt. «Das ist eine totale Sensation», sagt der Grabungsleiter, Professor Andreas Schachner vom Deutschen Archäologischen Institut.

Stadtmauern vor blauem Himmel
Legende: Metropolen-Modell: Dieser Nachbau, der sich neben den Ruinen befindet, zeigt, wie Hattuscha ausgesehen haben könnte. IMAGO / agefotostock

Die Graffiti eröffneten eine «völlig neue Perspektive» auf das Grossreich der Hethiter, so Schachner. Sie zeigen, dass viele Hethiter lesen und schreiben konnten. Anders als bisher angenommen gehörte die Schrift zu ihrem Alltag.

Wer waren die Hethiter?

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Das Grossreich der Hethiter war im zweiten Jahrtausend vor Christus als Gegenspieler der Ägypter, Babylonier und Assyrer eine der vier Grossmächte dieser Zeit. Das Volk war allerdings längere Zeit grösstenteils aus dem Menschheitsgedächtnis verschwunden.

Erst der deutsche Philologe Hugo Winckler, ein Spezialist für Keilschriften, kam auf die Idee, dass es sich bei den Ruinen von Hattuscha um die Überreste der Hauptstadt des hethitischen Reiches handeln könnte. Keilschriften auf Tontafeln, die er 1906 dort ausgrub, gaben ihm recht.

Hattuscha zählte vor 3500 Jahren zu den grössten Städten der Welt. Zehntausende Menschen lebten innerhalb der Stadtmauern.

Das Hethiter-Reich erstreckte sich von den Dardanellen über Anatolien bis ins heutige Syrien. Seit mehr als hundert Jahren graben Archäologen in Hattuscha, das östlich der türkischen Hauptstadt Ankara liegt. Die Entdeckung der Schriftzeichen habe alle verblüfft, sagt Schachner. Erst recht, da sie nicht danach gesucht und an jenem Tag nicht einmal gegraben hätten.

Zufallsfund dank Handy

«Es war ein Regentag, und wir konnten nicht graben», erzählt der Grabungsleiter. Einer der Wissenschaftler wollte die Zwangspause nutzen, um Fotos für seine Studierenden zu machen. Er fotografierte in einem Tunnel unter einem Stadttor, der seit langem bekannt ist.

Der Tunnel durch den Wall von Hattusa
Legende: Wo sich Strassenmaler im Tunnel tummelten: In einem solchen Gang stiessen die Archäologinnen und Archäologen auf die Graffiti. B. Genç, Archiv der Boğazköy-Grabung, DAI, Istanbul

Alle Forscherinnen und Forscher seien «schon hundertmal» durch den Gang gelaufen, ohne im Dunkeln etwas zu bemerken, sagt Schachner. Doch im Licht seines Mobiltelefons entdeckte der türkische Forscher Bülent Genc plötzlich Hieroglyphen in roter Farbe an den Wänden.

Aufgeregt lief Genc zum Grabungshaus zurück und berichtete Schachner von seinem Fund. Der war zuerst skeptisch. Doch als Genc seine Fotos zeigte, erkannte Schachner sofort Hieroglyphenzeichen. Bei einer systematischen Suchaktion fanden sie fast 250 Zeichen.

Schreibkundige Supermacht

Die Geschichte der Hethiter muss dadurch neu geschrieben werden. Denn bisher bestanden die schriftlichen Überlieferungen aus dem Hethiterreich überwiegend aus amtlichen Texten, die mit Keilschrift auf Tontafeln geschrieben wurden.

Neben der Keil- entwickelten die Hethiter auch eine eigene Hieroglyphenschrift. Bisher hatte die Wissenschaft angenommen, dass diese nur selten verwendet wurde. Offensichtlich sei genau das Gegenteil der Fall, sagt Schachner: «Diese Schrift wurde im Alltag an ganz verschiedenen Stellen und in ganz verschiedenen Zusammenhängen angewendet.»

Hethitisches Graffiti im Tunnel
Legende: Rätselhafte Graffiti: Noch ist ungeklärt, was die 250 gefundenen Zeichnungen bedeuten. B. Genç, Archiv der Boğazköy-Grabung, DAI, Istanbul

Heutzutage würde man von Graffiti sprechen, sagt der Grabungsleiter, auch wenn noch nicht geklärt sei, was eigentlich an den Wänden steht. Es könnten Namen von bestimmten Menschen oder auch Göttern sein, vermutet er. Eine Zeichengruppe scheint aus den Zeichen für Berg und Weg zusammengesetzt zu sein. Möglicherweise ist sie eine Art Strassenschild.

So viele Zeichen zu finden, eröffne eine völlig neue Perspektive, sagt Schachner. Offensichtlich sei das die Art und Weise gewesen, wie die Leute untereinander kommunizierten. Durch die Funde eröffne sich «ein neues, völlig unerwartetes Fenster zur Spätbronzezeit», erklärte das Deutsche Archäologische Institut.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 21.09.2022, 08:15 Uhr.

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