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Ausstellung in Basel Friedenstauben und Kampfanzüge: Flüchtlingskinder machen Kunst

Eine Ausstellung in Basel zeigt Bilder, die Flüchtlingskinder gemalt haben. Zu sehen sind Delphine ebenso wie Gewalt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Ausstellung «Mach dir dein eigenes Bild» in Basel zeigt Zeichnungen von Flüchtlingskindern .
  • Auf den Zeichnungen sind oft harmlose Dinge wie Spielplätze zu sehen, aber hin und wieder fliesst die Kriegserfahrung in die Werke ein .
  • Der Basler Künstler Marcel Forrer hat einen Teil der Kinder porträtiert . Diese Bilder sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.

Kein Tag vergeht, an dem nicht Bilder von Kriegsgebieten geknipst werden. Von Syrien. Von Afghanistan. Vom Sudan. Sie zeigen zerstörte Häuser, kaputte Strassen, verzweifelte Menschen. Was die Menschen denken, spüren und empfinden, bleibt der Kamera verborgen.

«Mach dir dein eigenes Bild» lautet der Titel einer Ausstellung, die bis Ende Mai im Basler Quartiertreffpunkt «LoLa» zu sehen ist. Die Künstlerinnen und Künstler sind namenlos, denn sie verdienen grössten Schutz. Es sind Flüchtlingskinder, die in Basel gestrandet sind. Im Empfangs- und Verfahrenszentrum, wie es in der Bürokratie heisst, haben sie maximal drei Monate gewohnt. Danach werden sie auf die ganze Schweiz verteilt. Oder abgeschoben.

Kunst und Konfliktforschung

Charlotte Bhattarai aus Basel liebt die Kunst. Sie hat eine künstlerische Ausbildung, kennt sich aber auch mit Friedens- und Konfliktforschung aus. Die zwei Seelen in ihrer Brust machte sie im Ausstellungsprojekt fruchtbar. Im Kontakt mit Asylbewerbern hat sie festgestellt: «Ich kann zwar nicht die ganze Situation ändern, aber ich habe die Möglichkeit, das Leben vom einen oder anderen Asylsuchenden für einen Moment ein bisschen schöner zu machen».

Sie meldete sich als ehrenamtliche Mitarbeiterin beim Ökumenischen Seelsorge- und Beratungsdienst für Asylsuchende. Der bietet im Basler Asylzentrum eine Kinder- und Jugendbetreuung an. Hier organisierte Charlotte Bhattarai Farben und Papier – und liess die Kinder zeichnen, was sie wollten.

Das Interview zum Thema

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«Sie schämen sich, überlebt zu haben»: Das sagt eine Psyhologin, welche mit traumatisierten Flüchtlingskinder arbeitet. Lesen Sie hier mehr dazu .

Ein Kunstprojekt, keine Maltherapie

Die Sprache der Kunst kennt keine Grenzen. Niemand muss Schweizerdeutsch können, um sich verständlich zu machen. Gedanken, Gefühle und Träume, sichtbar gemacht mit Strichen und Gekritzel, versteht man in Basel ebenso wie in Aleppo. «Man kann nicht über Details reden, aber mit Händen und Füssen kommt man ziemlich weit», sagt Bhattarai. Für sie könnte interkulturelle Kommunikation besser nicht gelingen: «Es ist möglich, auch ohne Sprache miteinander zu reden.»

Das Kunstprojekt sollte keine Maltherapie werden. Die Befürchtung, Kinder würden nur Traumatisches aus ihrer Fluchterfahrung zu Papier bringen, bewahrheitete sich nicht. «Der grösste Teil der Zeichnungen ist so, wie man sie aus Schweizer Kindergärten kennt: eine lachende Sonne, ein Haus, Leute, die lachen und essen», berichtet Bhattarai.

Beiträge zu Flüchtlingskindern

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Legende: Keystone

Ausradiertes Gewehr

Doch hin und wieder wird deutlich, dass hier kein typisches Schweizer Kind hinter den Bildern steckt. Wenn etwa die syrische Flagge aufgemalt wird, sehnsuchtsvoll untertitelt in arabischer Schrift: «Syrien, mein Schatz». Wenn ein Mädchen statt schickem Stoff einen Kampfanzug trägt. Wenn eine Friedenstaube die Hoffnung auf den Waffenstillstand ausdrückt.

So manches erschliesst sich erst auf den zweiten Blick. «Für mich sind die interessantesten Zeichnungen jene, die klein und versteckt Hinweise haben. Wie das Bild eines Autos, wo ganz klein eine afghanische Fahne zu sehen ist. Auf dem Dach gibt es ein Gewehr, das allerdings ausradiert wurde. Man sieht es aber trotzdem», erzählt Bhattarai. Die Kriegserfahrung fliesse so dezent in die Zeichnung ein. «Man sieht erst auf den zweiten Blick, dass etwas Tiefes drunter ist.»

Blick auf die Zeichnerinnen und Zeichner

Die Zeichnungen sind über den Zeitraum eines Jahres im Empfangs- und Verfahrenszentrum in Basel entstanden. Die meisten der jungen Künstlerinnen und Künstler sind nicht mehr in der Region, sondern auf andere Kantone verteilt. Möglicherweise wurden manche auch zurückgeschickt. «Aus Gründen des Datenschutzes wissen wir nicht, wo sie sind», sagt Bhattarai.

Eine Vorstellung davon, wie die jungen Kunstschaffenden ausgesehen haben, gibt Marcel Forrer. Der Basler Künstler hat einen Teil der Kinder porträtiert. Diese Bilder sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. So können die Besucher im «LoLa» gleich zwei Perspektiven einnehmen: den Blick auf die Kinder – und den kindlichen Blick.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Blickpunkt Religion, 09.04.2017, 08:08 Uhr

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