Was für eine Attraktion: 106 Kinder, Frauen und Männer aus den Deutschen Kolonien wurden im Jahr 1896 einem Millionenpublikum zur Schau gestellt. Fünf Monate lebten sie im Treptower Park, von den Zuschauenden und Gaffenden nur durch einen symbolischen Zaun getrennt
«Da waren fliegende Bauten am Südufer des Karpfenteichs», erinnert sich Anna Yeboah, eine der Kuratorinnen. Es seien, nach Ländern geordnet, Schauplätze geschaffen worden, wo die Menschen vermeintlichen Alltagstätigkeiten nachgekommen seien. Kochen, putzen, tanzen.
Das Grosse im Kleinen
Nichts erinnert heute im Treptower Park an diese Menschenschau. Aber das Bezirksmuseum Treptow hat es geschafft, eine sehenswerte kleine Ausstellung in drei Räumen über die deutsche Kolonialgeschichte zu präsentieren. Sie zeigt, dass Bezirksgeschichte eben auch Globalgeschichte sein kann.
Menschen aus Togo, Kamerun, aus dem damaligen Deutsch-Südwest oder aus Papua Neuguinea waren für eine Reise ins Land der Kolonialherrscher angeworben worden. Was haben sie erwartet?
Zerschlagene Hoffnungen
Sie wollten die deutsche Kultur kennenlernen, sagt Kurator Dahia Della. «Die Leute wollten erfahren, woher die die Kolonialherrscher kommen. Da waren auch die Forderungen nach einer besseren Behandlung», erzählt Della. Zur Kenntnis genommen wurden sie nicht.
Den deutschen Herrschern wiederum war es wichtig, hübsche Klischees über Afrika und die Südsee zu bekräftigen, erzählt Christian Kopp vom Verein «Berlin Postkolonial». Erwartet wurde, dass die Menschen eine Art «normales Leben» vorspielen.
Fallen vermieden
Im Zentrum der Ausstellung stehen die Menschen, die sich zum Teil gegen diese Inszenierungen gewehrt haben. Ein Mann aus Kamerun kaufte sich ein Opernglas und starrte zurück. Viele wollten sich nicht fotografieren lassen. Ihnen missfiel der anthropologische weisse Blick und die Pseudowissenschaftlichkeit, mit der sie rassistisch vermessen wurden.
Viele Fotos und ein amtlicher Bericht, der ein Jahr später erschien, bieten eine gute Quellenlage für das Geschehen. Wie aber lässt sich eine Ausstellung über Kolonialismus kuratieren, die den weissen, kolonialistischen Blick vermeidet, wenn alle Zeugnisse genau diese Perspektive beinhalten?
Fotos mit Menschen aus den Kolonien verletzen die Würde. Sie waren Schwarzweiss und klein. Hier sind sie behutsam nachkoloriert, grösser, und nur mit Namen versehen, die übliche Steckbriefhaftigkeit fehlt. So wird die Erinnerung eine individuelle, sehr persönliche.
Wo sind die Exponate?
Die Gegenstände aus der damaligen Kolonialausstellung, ein Kopfschmuck der Herero etwa oder eine Kriegstrommel, gelangten erst ins 1915 geschlossene Kolonialmuseum am Lehrter Bahnhof, später in die ethnologischen Sammlungen. Heute befinden sie sich in den Depots des Humboldtforums. 20 der 106 Menschen blieben in Deutschland, drei der Nachfahren litten in deutschen Konzentrationslagern.
All dies erzählen die Tafeln, die Zeitstränge, die Bilder des Treptower Bezirksmuseums. Eine Ausstellung ohne Kunstwerke, ohne wertvolle Exponate. Aber mit genau jenen Schwerpunkten und Betrachtungsweisen, die in den grossen ethnologischen Museen eher am Rande vorkommen.