« Du sollst Dir kein Bildnis machen», so heisst es in den zehn Geboten der Bibel. Ein derart eindeutig formuliertes Bilderverbot wie in der Bibel lasse sich im Koran nicht finden, sagt Axel Langer, Kurator für die Kunst des Mittleren und Nahen Ostens am Museum Rietberg.
Und doch sei die landläufige Meinung im Westen die, dass figürliche Abbildungen im Islam streng verboten sind. Die Ausstellung «Im Namen des Bildes» relativiert diese Vorstellung.
Bilder auf beiden Seiten
Gleich zu Beginn der Ausstellung jedoch, wo ein Kirchen- und Moscheeraum einander gegenübergestellt werden, scheint sich diese Vorstellung noch zu bestätigen. «Die Kirche voller Bilder, das ist der Westen», erklärt Kurator Axel Langer. «Der Moscheeraum hingegen ist sehr reduziert: Gebetsteppich, Nische und Lampe. So stellt man sich den Islam eigentlich vor.»
Verlässt man die Gotteshäuser, lösen sich die Unterschiede nach und nach auf. Gläubige beider Religionen nutzten Bilder, um sich die Gegenwart Jesu beziehungsweise des Propheten Mohammed zu vergegenwärtigen.
Jesus vs. Mohammed
In der Ausstellung wird das christliche Ikonenbild der islamischen Hilye gegenübergestellt: einerseits das für alle sichtbare Bild Jesu, andererseits die in einer Mondsichel eingefasste Beschreibung Mohammeds. «Jeder kann sich Mohammed individuell vorstellen, während im Christentum vorgegeben ist, wie Jesus ausgesehen habe», sagt Kurator Langer.
So unterschiedlich die Darstellungsformen sein mögen – in ihrer Funktion sind sich die Bilder sehr ähnlich: Beide hatten für Gläubige eine Schutzwirkung. Sie wurden aufgehängt, um Unheil abzuwenden.
Ähnlicher, als man denkt
Noch verblüffendere Ähnlichkeiten zeigt die Ausstellung anhand von Bildern, die religiöse Erzählungen darstellen – etwa die Auferweckung eines Toten durch Mohammed beziehungsweise Jesus. «Man sieht», sagt Axel Langer, «dass die Art, etwas zu erzählen in beiden Kulturen dieselbe ist, obwohl zeitliche und geografische Unterschiede bestehen.»
Aus heutiger Sicht mag die Darstellung von Mohammeds Gestalt erstaunen. Langer aber sagt: «Ich habe keine Stelle gefunden, wo es heisst: ‹Mohammed darf man nicht darstellen.› Gott darf man nicht darstellen, das ist ganz klar. Aber mit der Darstellung Mohammeds hat man lange Zeit kein Problem gehabt.»
Es sei immer eine Frage der Gesellschaft, in der ein Bild entsteht und verwendet wird. «Die Möglichkeiten und Grenzen sind fliessend.»
«Das ist ein Prozess»
Von der anfangs erwähnten Vorstellung eines totalen Bilderverbots im Islam ist man in diesem Punkt der Ausstellung weit entfernt. «Das Problem, das wir immer haben: Wir verallgemeinern Aussagen und Vorstellungen. Aber das kann man historisch nicht, und das kann man auch heute nicht», fasst Langer zusammen.
Ziel der Ausstellung sei, Ähnlichkeiten wie Unterschiede aufzuzeigen. «Interessant ist zu sehen, dass es mal auseinanderdriftet aber auch wieder zusammenkommt. Das ist ein Prozess, der das Zusammenleben zwischen Islam und Christentum über Jahrhunderte geprägt hat.»