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Bayerisches Nationalmuseum Er gibt zurück, was einst die Nazis raubten

1939 beschlagnahmten die Nazis zahlreiche Silberobjekte von deutschen Juden. Das Bayerische Nationalmuseum gibt nun die Gegenstände proaktiv an die Nachkommen zurück – mithilfe der Arbeit eines akribischen Historikers.

Wer Matthias Weniger dieser Tage ein E-Mail schreibt, bekommt sofort eine automatische Benachrichtigung: Es komme derzeit zu starken Verzögerungen bei den Antworten, «heavily delayed answers» …

Beim Provenienzforscher des Bayerischen Nationalmuseums treffen jeden Tag Anfragen aus aller Welt ein, die meisten aus den USA und Israel. Seit 2019 kümmert sich Matthias Weniger um die Rückgabe von Silberobjekten aus jüdischem Privatbesitz, die der NS-Staat konfisziert hatte.

Verschiedene silberne Gegenstände wie Kerzenständer und Becher stehen mit Nummern versehen in einer Vitrine.
Legende: Proaktiv: Anstatt auf Restitutionsbegehren seitens der Opfer zu warten, gibt das Bayrische Nationalmuseum derzeit zahlreiche Silberobjekte aus dem Museumsdepot von sich aus an die Nachkommen zurück. Bayerisches Nationalmuseum

So ist der Kunsthistoriker Matthias Weniger etwa in Kontakt mit einer über 100-jährigen Frau in den USA, die sich erinnert, als Jugendliche 1939 endlos mit den Leuchtern und Salzgefässen der Familie vor dem Leihhaus in Berlin angestanden zu haben. Das Silber wurde mehrheitlich eingeschmolzen, 135 Tonnen kamen zusammen. Die Nazis brauchten es, um wichtige Kriegsgüter im Ausland zu kaufen.

Andenken an ausgelöschte Leben

1939 konnte das Bayerische Nationalmuseum in München etwa 300 zuvor gewaltsam entzogene Silberobjekte erwerben. «Es sind Alltagsgegenstände, Esslöffel, Schöpflöffel: viele Dinge, die im religiösen Gebrauch der Familien eine Rolle spielten», sagt Matthias Weniger und hebt mit Handschuhen zwei Kerzenleuchter vorsichtig aus dem schweren Tresorschrank im Museum.

«Die Kerzenleuchter wurden zu Schabbat angezündet, am Freitagabend, immer paarweise.» Dann erzählt er von seiner Reise nach Israel im Juni. «Sehr berührend» sei es, wenn die Alltagsgegenstände endlich aus dem Museumsdepot in den Familienbesitz übergingen. Nicht nur, weil die Dinge wieder ihrer ursprünglichen Bedeutung dienten. Oftmals seien sie auch das einzige Andenken an Verwandte.

Zwei ältere Männer und vier Frauen stehen in einem Foyer und blicken in die Kamera.
Legende: Kunsthistoriker Matthias Weniger (dritter von rechts) mit Vertreterinnen und Vertretern dreier geschädigter Familien in der Deutschen Botschaft Washington. Bayerisches Nationalmuseum

«Der letzte Koffer aus dem Lager hat sich natürlich nicht erhalten, oder er steht auf einem riesigen Haufen in Ausschwitz.» Matthias Weniger holt tief Luft. Da es sich um Alltagsgegenstände handle, könne man sich gut vorstellen, «dass die Grossmutter mit dem Löffel wirklich noch gegessen oder die Leuchter zum Schabbat angezündet hat.»

Das Zerschlagene zusammenfügen

Um das Silber den Erben der Geschädigten zurückgeben zu können, muss der Kunsthistoriker anhand von Akten und Listen alle Familienmitglieder ausfinden machen. «Teilweise wissen die Familien nicht, dass es da noch Verwandte in Australien gab», freut er sich über neu entdeckte Familienbande.

Der jüdische Philosoph Walter Benjamin hatte den Begriff «das Zerschlagene zusammenfügen» geprägt. So fühlt es sich für Matthias Weniger manchmal an. 60 Objekte im Bayerischen Nationalmuseum warten noch auf ihre Rückgabe. Noch ein jedes Mal zieht das weite Kreise nach sich.

An eine Familie in Zürich gehen demnächst zwei Salzgefässe. In ihnen ist eine ganze Welt eingeschlossen.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 11.07.203, 8:06 Uhr

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