Es ist ein sommerwarmer Freitagabend und im Jugendzentrum Dreirosen ist es verhältnismässig ruhig. Am Billiardtisch versenken Jugendliche ein paar Kugeln.
Auf den Sofas vis-à-vis spielen andere eine Videogame und im Kinosaal, wo es Leinwand und Beamer gibt, wissen die Jugendlichen nicht, welche DVD sie schauen wollen. «Eifach nit Twilight!», ruft ein 14-jähriger Junge.
Zwischen Haltung und Zuneigung
Ins «Jugi» dürfen alle zwischen 12 und 20 Jahren. Alkohol und Drogen sind verboten.
Und: «Hier gibt es nur gewaltfreie DVDs zu schauen», sagt Yasmin El-Aghar. Sie ist soziokulturelle Animatorin und die Co-Leiterin des Jugi. «Viele Jugendliche haben schon alles gesehen, da wollen wir ein Gegengewicht sein.»
Das Thema Gewalt führe immer wieder zu Diskussionen. Solche Diskussionen mit den Jugendlichen zu führen, sei ein wichtiger Teil ihrer Arbeit, erklärt Yasmin El-Aghar: Im Gespräch bleiben, Haltung zeigen – und Zuneigung.
Ein erweitertes Wohnzimmer
Der Junge, der nicht Twilight schauen will, fragt nach einem Pflaster und El-Aghar erzählt, dass vor einiger Zeit ein richtiger Hype um Pflaster und Verbände losgegangen sei: «Häufig zeigen sich die Jugendlichen hier von ihrer stärksten Seite und inszenieren sich vor den anderen.»
Aber sie hätten natürlich auch ganz feine Seiten: «Über ein Pflaster kommen sie mit uns ins Gespräch. Dass wir uns um sie kümmern, ist ein Türöffner.»
Die feinen Seiten, die wilden Seiten der Jugendlichen – im Jugi Dreirosen hat für beides Platz. Es ist ein bisschen wie ein erweitertes Wohnzimmer in einem Quartier, in dem viele Jugendliche in beengten Verhältnissen aufwachsen. «Viele teilen sich ihr Zimmer mit Geschwistern. Es fehlt ihnen ein Ort, wo sie einfach mal chillen können», sagt Yasmin El-Aghar.
Vertrauen ist wichtig
Das Team im Jugendzentrum Dreirosen besteht aus sechs Mitarbeitenden. Sie verstehen sich als bezahlte Gastgeber – und lassen die Jugendlichen in erster Linie in Ruhe. «Wir beobachten, ob die Jugendlichen den Kontakt zu uns suchen oder nicht. Wir geben stets das Signal, dass wir für sie da sind.»
Immer wieder stellt das Team den Kontakt zu Fachstellen her oder begleitet die Jugendlichen dorthin, zum Beispiel zur Schuldenberatung. Dafür brauche es viel gegenseitiges Vertrauen: «Einer der grössten Freuden in meinem Beruf ist es, das Vertrauen der Jugendlichen zu spüren. Wenn sie sich öffnen oder um Rat fragen», so El-Aghar.
«Eine neue Heimat»
Fragt man die Jugendlichen, warum sie ins Jugi kommen, dann erntet man verständnislose Blicke – so als hätte man gefragt, warum sie atmen. Es scheint schlicht eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Rosanna (18) und Dennis (22) sind bereits aus dem klassischen Jugi-Alter herausgewachsen. Seit sie ihre Lehre als Coiffeuse und Polymechaniker begonnen haben, kommen sie nicht mehr so häufig.
Aber sie erinnern sich gerne an ihre Zeit im Jugi zurück. «Das Jugi war ein Zuhause für mich», erzählt Dennis: «Ich bin mit 14 von Kenia in die Schweiz gekommen, hier fand ich eine neue Heimat.»
Keine Tabus
Rosanna ergänzt, dass sie im Jugi viel Unterstützung erfahren hätte – in allen Bereichen ihres Lebens: «Für die Schule, aber vor allem auch bei Themen, die man nicht zu Hause besprechen möchte. Hier konnte ich alles fragen, es gab keine Tabus.» So gab es etwa Workshops zum Thema Verhütung oder Alkoholkonsum.
Im Jugi hätte sie etwas Grundlegendes zu spüren bekommen, sagt Rosanna: «Dass es Leute gibt, die an mich glauben und mich bedingungslos unterstützen. Das Team gab mir Sicherheit – davon profitiere ich bis heute.»