Zum Inhalt springen

Betrug nimmt zu Wie die Krypto-Kunst zur Goldgrube für Kriminelle wurde

Der Handel mit sogenannten NFTs versprach eine Revolution des Kunstmarkts. Die Utopie ist der Ernüchterung gewichen.

Von einer «demokratischen Revolution des Kunstmarkts» war die Rede, als der Handel mit digitaler Krypto-Kunst vor gut einem Jahr so richtig Fahrt aufnahm. Plötzlich konnten Künstlerinnen und Künstler sich ohne Galerie selbst vermarkten. Jeder wurde sein eigenes Auktionshaus. Es war dezentral organisiert und frei von Diskriminierung.

Heute sieht man das Ganze etwas nüchterner. Laut einem Kryptoanalyse-Unternehmen sei der NFT-Hype mittlerweile zu einem regelrechten Eldorado für Gauner und Betrüger geworden, die Betrugssummen gehen in die Millionen.

Was sind nochmal NFTs?

Box aufklappen Box zuklappen

NFTs sind digitale Objekte, die nicht austauschbar sind, da sie auf der Blockchain ein Echtheitszertifikat besitzen. Dadurch kann man ihnen einen Wert zuschreiben und sie sammeln.

Betrug nimmt zu

«Eine illegale Möglichkeit ist das sogenannte Wash-Trading», sagt SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren. Das geht so: Man verkauft sich selbst dieses NFT zu einem hohen Preis und kauft es zu einem noch höheren wieder zurück.

Das könne man beliebig wiederholen und so den Anschein erwecken, dass ein NFT besonders wertvoll sei, sagt Jürg Tschirren. «In der Hoffnung, es am Schluss für viel Geld an einen nichtsahnenden Dritten weiterverkaufen zu können.»

Anonymität zieht Betrüger an

Handel mit sich selbst ist nur möglich, weil sich Betrüger auf den Kryptokunst-Plattformen mehr oder weniger anonym bewegen. Man kann beliebig viele Konten erstellen – sogenannte Wallets – und so die Rückverfolgung der Identität erschweren.

Eine andere Betrugsmöglichkeit mit NFT-Kunst ist der Insiderhandel: «Ein Mitarbeiter von Opensea wusste, dass bestimmte NFTs auf der Plattform bald prominent angezeigt werden. Das zieht natürlich besonders viele Käufer an», sagt Tschirren.

Bevor das geschah, hat sich der Mitarbeiter die entsprechenden NFTs selbst gekauft, um vom Preisanstieg zu profitieren.

Drei Viertel könnten Betrug sein

Die zwei Beispiele zeigen: Die Anonymität der NFT-Welt öffnet der Steuerhinterziehung, Geldwäsche und laut US-Finanzministerium sogar der Terrorfinanzierung Tür und Tor. Wo viel Geld ist, sind Kriminelle nicht weit. Laut dem Krypto-Analyse-Unternehmen Chainalysis wurden im NFT-Handel allein im letzten Jahr rund 44,2 Milliarden Dollar ausgegeben.

«Es ist schwer zu beziffern, wie viel vom Handel mit NFTs echt ist und wie viel in betrügerischer Absicht geschieht», sagt Tschirren. Aber Insider schätzen, dass mehr als drei Viertel des Handels Betrug sein könnten.

Problem mit Urheberrecht

Box aufklappen Box zuklappen

In letzter Zeit häuften sich Klagen von Künstlerinnen und Künstlern, die ihre Werke plötzlich auf Crypto-Plattformen entdecken, wo sie als NFTs zum Verkauf angeboten werden. Denn jeder und jede kann von einem digitalen Bild, einer Animation, einem Lied oder einem Video ganz einfach ein NFT erstellen.

Dies nimmt zuweilen absurde Züge an. So ist vor kurzem ein ganzer YouTube-Kanal einer Influencerin als NFT zum Verkauf angeboten worden. Als die YouTuberin sich darüber auf Twitter aufregte, machte jemand kurzerhand aus eben diesem Tweet selbst ein NFT und bot es abermals zum Verkauf an.

Fehlende Kontrolle

Wie konnte das Versprechen einer demokratischen Revolution des Kunstmarkts also so arg nach hinten losgehen? Warum ist die NFT-Utopie nicht eingetreten?

Für SRF-Digitalredaktor Jürg Tschirren liegt es an der fehlenden Aufsicht: «Alles geschieht in einem Raum, der sich selbst regulieren sollte. Aber wenn man so etwas sich selbst überlässt, gilt das Recht der Stärkeren oder derer, die bereit sind, hier auch einmal kriminelle Wege einzuschlagen.»

Etwas Gutes hat die kriminelle Entwicklung der NFT-Welt dennoch. Sie zeigt unmissverständlich, was zügellose Freiheit bedeutet: Das passiert, wenn man Systeme sich selbst überlässt.

Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 22.2.2022, 17:10 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel