Wenn Spielerinnen und Spieler von «Fortnite» mal genug davon haben, sich gegenseitig zu bekämpfen, können sie sich auf der virtuellen Insel «Party Royale» ausruhen. Man kann dort gewaltlose Fun-Spiele spielen, plaudern, Filme und Konzerte gucken – und neuerdings auch ins Kunstmuseum.
Auf der Insel findet man seit einigen Tagen eine Nachbildung der Londoner Serpentine Gallery. Gamerinnen und Gamer können dort die aktuelle Ausstellung des Künstlers KAWS anschauen. In einer virtuellen Kopie des Museumsgebäudes sind die gleichen Werke zu sehen, die auch in der realen Serpentine Gallery ausgestellt werden.
In einer ersten Bilanz sieht Hans Ulrich Obrist, der Schweizer Leiter der Serpentine-Gallery, die «Fortnite»-Ausstellung als Erfolg. Denn die Gamerinnen und Gamer bescheren auch der realen Serpentine Gallery einen Besucherzulauf: «Die Besucherzahlen haben sich vervierfacht – nicht nur in der KAWS-Ausstellung, sondern auch in der anderen Ausstellung, die gleichzeitig im anderen Gebäude stattfindet.»
Kunst im Metaverse
Mit ihrer Dependance in einer virtuellen Welt folgt die Serpentine Gallery einem Trend. Die Spass-Insel in «Fortnite» entspricht in vielem dem «Metaverse», von dem derzeit oft die Rede ist. Das Metaverse ist ein virtueller digitaler Raum, in dem Nutzerinnen und Nutzer sich als Avatare frei bewegen, sich austauschen, Spass haben und virtuelle Dinge kaufen.
Spätestens seit Mark Zuckerberg viel vom Metaverse spricht, herrscht ein digitaler Goldrausch . Viele Personen und Unternehmen bemühen sich, im Metaverse präsent zu sein und kaufen dafür virtuelles Land für Millionenbeträge.
Digitales Auktionshaus für digitale Kunst
Auch die Kunstwelt ist darum bemüht, ins Metaverse zu kommen. Das Auktionshaus Sotheby’s hat eine Niederlassung in der virtuellen Welt «Decentraland» eröffnet und dort ein NFT für 500'000 US-Dollar verkauft. Es gibt virtuelle Museen, in denen NFTs ausgestellt werden.
Bei allem Hype erreichen Metaversen wie «Decentraland» oder «Sandbox» derzeit noch eine sehr überschaubare Community, sagt SRF-Digitalexperte Jürg Tschirren. Dort tummelten sich noch vorwiegend Vertreter der Krypto-Szene.
Verpufft der Hype um das Metaverse schon bald wieder, oder wird es sich bei der breiten Masse durchsetzen? Das wisse im Moment niemand, sagt Tschirren: «Die Investitionen ins Metaverse sind eine Wette – ob sie aufgeht, wird sich erst zeigen.»
Virtuelle und physische Kunst vermischen sich
Hans Ulrich Obrist ist überzeugt, dass virtuelle Welten für die Kunst immer wichtiger werden, und dass sich die beiden Welten immer mehr vermischen: «Es wird nicht mehr ein Entweder-oder sein, sondern ein Sowohl-als-auch.» Ausstellungen würden eine digitale Komponente haben, aber auch eine Entsprechung in der physischen Welt.
Für die Serpentine Gallery ist die Ausstellung ein Weg, ein Publikum anzulocken, das sonst vielleicht nicht ins Museum kommen würde: «Uns geht es darum, Welten zusammenzubringen. Dass zum Beispiel Besuchende aus der Gamewelt ins physische Museum kommen und sich mit dem Kunstpublikum mischen.»
Tiefer ins Metaverse
Was mit dem virtuellen Museum nach dem Ende der Ausstellung passieren wird, ist derzeit offen. «Es wäre natürlich interessant, wenn es eine zweite Ausstellung gäbe», sagt Obrist. Man arbeite aber so oder so daran, weiter im Metaverse präsent zu sein.
Reale Ausstellung werden trotzdem zentral bleiben: «Eine Ausstellung ist eine multisensorielle Erfahrung. Es fehlt vieles, wenn man sie online sieht. Darum glaube ich nicht, dass das eine das andere ersetzen wird».
Die Kunstwelt bleibt also auch in Zukunft fest in der Realität verankert – trotz Exkursionen ins Metaverse.