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Buch «Prinzessinnenjungs» Mädchen dürfen Prinzessinnen sein, Jungs aber auch

Weil sein Sohn gerne Kleider trug, zog sich auch der deutsche Journalist Nils Pickert aus Solidarität einen Rock an. Und sorgte damit in seinem Umfeld für Verwirrung.

Nun hat Nils Pickert ein Buch über männliche Rollenvorbilder und Geschlechterfallen in der Erziehung geschrieben: «Prinzessinnenjungs». Er stellt fest: Mit einem Rock ist der Job als Vater nicht getan.

Nils Pickert

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Nils Pickert schreibt als freier Journalist u.a. für Die Zeit, den Tagesanzeiger oder den österreichischen Standard, wo er eine monatliche feministische Kolumne hat. Auf Pinkstinks.de engagiert er sich gegen Sexismus und Homophobie. Er ist Vater von vier Kindern.

SRF: In ihrem Buch fordern Sie, dass Jungs Mädchenkleider tragen und mit Puppen spielen dürfen. Ist das nicht längst selbstverständlich?

Nils Pickert: Ich würde mir wünschen, dass es das ist. Ich selbst habe ja vor einigen Jahren einen Rock angezogen, weil mein kleiner Junge mich darum gebeten hat, ihm damit zu helfen. Ich dachte tatsächlich, die Gesellschaft würde sich, was das angeht, entwickeln und emanzipieren. Und ein Stück weit hat sie das auch getan.

Ich will nicht alle Jungen dazu verpflichten, sich zu schminken.

Aber wenn man diese Themen anspricht und mit entsprechenden Forderungen verknüpft, dann stellt man sehr schnell fest: Wir haben heute zwar alle eine grosse verbale Aufgeschlossenheit. Aber wenn es wirklich ans Eingemachte geht, steckt nicht viel dahinter.

EIn Mann mit grünem Shirt und rotem Rock geht mit einem jungen in einem roten Kleid durch eine Strasse
Legende: Dieses Bild von Nils Pickert mit seinem Sohn ging in Deutschland durch die Medien. Privat

Ihr Buch heisst «Prinzessinnenjungs» – in Anspielung daran, dass in der Regel Mädchen sich für Prinzessinnen interessieren. Bedienen Sie damit nicht auch ein Stereotyp?

Es ist nicht meine Aufgabe und auch nicht die Aufgabe des Buches, Stereotype komplett abzuschaffen. Sondern einen Weg aufzuzeigen, wie man damit spielerischer umgehen kann. Wenn Mädchen Lust haben, Prinzessinnen zu sein, dann wäre es der absolut falsche Weg, ihnen das zu verbieten. Genauso wie bei Jungen.

Ich finde, dass wir uns als Eltern und als Gesellschaft der Bewertung enthalten sollten. Wenn es den Kindern guttut, dann sollen sie Dinge ausprobieren. Das wäre der Plan.

Befreiend, aber vage: Das Buch «Prinzessinnenjungs»

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Da erzählt also ein Mann und vierfacher Vater von seinen eigenen Erfahrungen mit den Rollenzuschreibungen. Ein Mann im Rock? Nils Pickert sorgte vor vielen Jahren für einen riesigen Medienrummel, seitdem begleitet ihn das Thema. Das ist lebensnah und authentisch. In seinem ersten Buch schildert er nun, wie er sich mit dem Bild von Männlichkeit auseinandersetzt, wie er sein eigenes Handeln beobachtet, sich und andere hinterfragt und letztlich zu dem Schluss kommt: Obwohl uns das Thema Geschlechtergerechtigkeit seit vielen Jahren begleitet, erliegen wir bei der Erziehung unserer Kinder immer noch den Geschlechterklischees. Falsch sei das nicht, wichtiger aber sei, das Kind kann dabei es selbst sein.

Nils Pickert plädiert also mit seinem Buch für einen spielerischen Umgang mit Geschlechterzuschreibungen. Alles kann, nichts muss. Das wirkt befreiend, auch wenn er in der konkreten Umsetzung vage bleibt.

Das Buch beeindruckt da, wo es den Leser mit Fragen herausfordert. Warum ist Mehrdeutigkeit für uns so schwer auszuhalten? fragt er beispielweise an einer Stelle. Warum frustriert es uns, wenn unser Kind für ein Mädchen gehalten wird, obwohl es ein Junge ist? Warum beschimpfen sich Jungen auf Schulhöfen immer noch gegenseitig mit «Schwuchtel» oder «Muttersöhnchen»? Und was sagt das eigentlich über unser Bild von Frauen aus, wenn weibliche Attribute dazu dienen, Männer abzuwerten?

Nils Pickert: «Prinzessinnenjungs: Wie wir unsere Söhne aus der Geschlechterfalle befreien», Beltz 2020.

Sie bedauern ein zu starres Bild von Männlichkeit, bei dem Jungs Härte zeigen müssen, keine Gefühle äussern dürfen und immer gewinnen sollen. Wie stellen Sie sich Männlichkeit vor?

Sehr viel breiter, offener und inklusiver. Das bedeutet, wir reden nichts mehr weg. Wenn Jungen weinen müssen, dann müssen sie weinen. Und wenn sie Trost brauchen, wenn sie scheitern, schwach sind oder es ihnen schlecht geht, dann ist das genau so, wie es ist. Dann nehmen wir das an und kümmern uns darum.

Genauso wie es völlig in Ordnung ist, wenn Jungen Lust haben, sich zu messen. Ich will nicht alle Jungen, die auf den Bolzplatz gehen, dazu verpflichten, sich zu schminken und zum Tanzen zu gehen.

Wir ziehen eine Menge Mauern und Barrieren ein, die Jungen unfrei machen.

Ich möchte nur erreichen, dass wir gemeinsam davon Abstand nehmen, Jungen zu verbieten, zum Tanzen zu gehen. Ihnen zu suggerieren, dass ihnen das nicht guttut.

Wir ziehen da eine Menge Barrieren ein, die Jungen unfrei machen. Die dafür sorgen, dass sie nicht das tun können, was sie tun wollen.

Wie leben Sie denn in der Rolle des Vaters Ihren Kindern ein komplexes Bild von Männlichkeit vor?

Damit, ab und zu mal einen Rock zu tragen, ist der Job nicht getan. Ich versuche, meinen Kindern so authentisch wie möglich ein Vater zu sein. Ich möchte, dass sie wissen, wer ich bin und was mich bewegt. Und ich will wissen, wer sie sind und was sie bewegt.

Wir machen das nicht nur für uns. Sondern für eine Gesellschaft, in der wir und unsere Kinder freier leben können.

Ich versuche schon auch mein Verhalten zu überprüfen und zu sehen: Was mache ich hier eigentlich? Gibt es einen Grund dafür, warum ich häufiger mit meinen Mädchen koche und nicht mit meinen Jungen? Wenn ich das feststelle, dann versuche ich, das zu korrigieren.

Wir machen das nicht nur für uns. Sondern für eine geschlechtergerechte Gesellschaft, in der wir und vor allen Dingen unsere Kinder freier leben können.

Das Gespräch führte Katrin Becker.

Radio SRF 2 Kultur, 9.6.2020, Kultur Aktualität, 7:20 Uhr; Kontext, 9:02 Uhr ; 

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