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Buhuuu! In Basel gehen neuerdings Gespenster um

In Basel spukt's – mal niedlich, mal zum Fürchten. Die Ausstellung «Geister» im Kunstmuseum zeigt, wie wandelbar das Übernatürliche ist – und warum es uns bis heute heimsucht.

Es ist die einfachste Verkleidung der Welt: Bettlaken nehmen, über den Kopf ziehen, Augen ausschneiden, fertig. Beliebt sind Gespenster nicht nur bei Verkleidungsmuffeln. Süsse Geisterwesen gibt’s auch als Kuscheltier, Emoji oder T-Shirt. Besonders gern zu Halloween gesehen.

Menschen vor geisterhafter Erscheinung in dramatischer Szene.
Legende: Gestalt in weissem Laken, erschrockene Gesichter rundherum. Gespenster spielen in vielen Geschichten eine Rolle. Hier zu sehen eine Bibelszene: «Saul and the Witch of Endor» von Benjamin West. (1777) Wadsworth Atheneum Museum of Art/Bequest of Clara Hinton Gould

Gespenster haben eine erstaunliche Entwicklung hinter sich. Einst waren sie nicht süss, sondern schauderhaft. Das uniforme weisse Laken ist tatsächlich ein Leichentuch.

Bis weit ins 18. Jahrhundert spukten sie als «schröckliche Gespengster» mit Vorliebe nachts an Kreuzwegen oder am früheren Wohnort, häufig waren sie einst ermordet worden und kehrten zurück, bis die Tat aufgeklärt wurde. Siehe Shakespeare, Auftritt: der Geist von Hamlets Vater.

Stoff für Geschichten

Als «Weisse Frau» oder «Banshee» tauchen Geisterwesen in allen Kulturen auf. Die älteste Überlieferung einer Gespenstergeschichte findet sich auf einer 3500 Jahre alten babylonischen Tafel.

Geister lieferten vermutlich schon immer den Stoff für die Geschichten, die sich Menschen erzählen. Kein Wunder, verbinden sie doch verlässlich Grusel und Unterhaltung. Süss aber wurden die Gespenster erst im 20. Jahrhundert.

Pionierarbeit leistete dabei der erste «Ghostbusters»-Film aus dem Jahr 1984 mit dem «Stay Puft Marshmallow Man» und dem unvergessenen Bill Murray als Geisterjäger.

Herziges Verdrängen

Auch die US-amerikanische Künstlerin Angela Deane malt herzige Gespenster. Oft nutzt sie dafür alte Fotos. Gelb verblichen sind nicht nur die Farben dieser Bilder, auch die Menschen darauf sind längst verschwunden. Und wahrscheinlich vergessen.

Nur vordergründig ist das süss. Denn Deane hält den Weg allen Lebens fest: Tod und Vergessen. Beides maskieren wir gern mit süssen Gespenstern.

Gezeichnete Geister vor Blumen auf Tisch in Zimmer.
Legende: Geister und Gespenster begleiten die menschliche Kultur vermutlich seit ihren Anfängen. Einer der neuesten Ansätze: «All Of Us» von Angela Deane. (2025) Angela Deane

Dass das Verdrängen die herausragende Leistung des 21. Jahrhunderts im Umgang mit allem Geisterhaften ist, mit allem also, was nicht mittels Technik und Rationalität erklärt werden kann: Das ist wohl die Haupterkenntnis in der aktuellen Ausstellung «Geister» im Kunstmuseum Basel.

Neben Angela Deanes übermalten Fotos leuchtet im ersten Raum eine Neonschrift der irischen Künstlerin Susan MacWilliam: «Where are the dead?», fragt das Werk flackernd. Bloss Antwort gibt’s keine.

«Wo sind denn all die Toten? Wo geht ihre Lebensenergie hin?», doppelt Kuratorin Eva Reifert im Gespräch nach. Sie hat als Kuratorin die Ausstellung im Kunstmuseum Basel entwickelt. Die Frage nach den Toten ist zwar uralt, braucht aber heute eine gute Portion Mut.

Lieber keine Gespenster

Spukphänomene haben in einem auf Rationalität und Effizienz getrimmten Weltbild keinen Platz. Halluzinationen dürfen als Erklärung allenfalls herangezogen werden.

Auch wenn tausende Menschen unerklärliche Erfahrungen machen und viele Kulturen ganz selbstverständlich von Geistern ausgehen: «Man könnte auch sagen, nur wir Europäerinnen und US-Amerikaner stellen uns bei dem Thema etwas schwierig an», so Reifert spöttisch.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Geister. Dem Übernatürlichen auf der Spur» im Kunstmuseum Basel zeigt Werke und Objekte aus über 250 Jahren: von Geisterjägerkästen und Fotos aus dem 19. Jahrhundert über einen Brief von Thomas Mann bis zu vielen zeitgenössischen Kunstwerken. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 8. März.

Weniger schwierig machten es sich die Menschen im 19. Jahrhundert. Geisterglaube war da noch nicht verdächtig, bloss wissenschaftlich bewiesen waren die Phänomene noch nicht.

Beflügelt von technischen Erfindungen schien auch das möglich, sagt Kuratorin Eva Reifert: «Eben war die Telegrafie erfunden worden, das Telefon und die Tonbandaufzeichnung. Warum also sollte man nicht auch mit Toten reden können?»

Fotos als Spukbeweise

Insbesondere die junge Technik der Fotografie übernahm eine Paraderolle. Zahlreiche Wissenschaftler und Betrüger versuchten Geister abzulichten. Unter ihnen auch der als «Geisterbaron» verspottete Parapsychologe Albert Freiherr von Schrenck-Notzing, der «Séancen» veranstaltete.

Frau in antiker Kleidung mit Licht zwischen den Händen.
Legende: Rätselhafte Auswüchse am Kopf, Blitze zwischen den Händen: Foto eines Mediums in einer vom Parapsychologen Albert Freiherr von Schrenck-Notzing veranstalteten Séance. Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene

Die unerklärlichen Ereignisse, die dort passierten, wurden mit Fotos festgehalten: Da quillt eine weisse Substanz aus dem Mund eines dunkel gekleideten Mediums, Materie wächst aus dem Kopf, Blitze treten auf. Alles höchst bizarr.

Ähnliches berichtete auch der Schriftsteller Thomas Mann, der eine der Séancen besuchte: «Das war nicht möglich – aber es geschah. Der Blitz soll mich treffen, wenn ich lüge.»

Frau auf Stuhl mit geisterhafter Erscheinung im Hintergrund.
Legende: Manipulierte Fotos waren die Grundlage für die Betrugsmasche «Geisterfotografie». Wie leicht mit dem Medium Fotografie getrickst werden konnte, war in den Anfangsjahren der Fotografie noch nicht bekannt. The College of Psychic Studies, London

Für die sogenannte «Geisterfotografie» liessen sich zum Beispiel Witwen fotografieren, hinter ihnen ist der tote Mann zu sehen: als schemenhafter Geist. Das Geschäft lief, denn die Fotos erzählten den Hinterbliebenen, was sie hören wollten, dass nämlich die Toten noch «da» seien. Erst aufsehenerregende Prozesse legten den betrügerischen Fotografen, die international tätig waren, das Handwerk.

Der Blick ins 19. Jahrhundert ist faszinierend und zeigt deutlich, dass heute anders mit Gespenstern umgegangen wird. Sie werden süss gemacht oder zur Halluzination erklärt, auch eine Art der Kontrolle. Im 21. Jahrhundert wird nicht gern über Unerklärliches gesprochen.

Der renommierte britische Assyriologe Irving Finkel betont im Vorwort des Basler Ausstellungskatalogs denn auch: «Menschen, die einem, wenn sie nur wollten, das eine oder andere über Geister erzählen könnten, fürchten Spott und Hohn.»

Gibt es sie denn nun oder nicht?

Die US-amerikanische Künstlerin Corinne Botz hat den Menschen unvoreingenommen zugehört und ihre Erlebnisse und Geschichten gesammelt. Zehn Jahre lang besuchte die Fotografin 100 «Haunted Houses» – also Spukhäuser. Sie sammelte die Gespenstergeschichten der Bewohnerinnen und Bewohner und dokumentierte mit ihrer gleichnamigen Fotoserie die Orte, an denen es angeblich spukt.

Die Frage, ob es Gespenster wirklich gebe, habe sie nie interessiert, sagt die Künstlerin im Interview. Sie habe den Menschen einfach zugehört.

Von fliegenden Teetassen hörte Botz, von sich mysteriös schliessenden Türen und freundlichen Wesen, die eher an Mitbewohner als an Gespenster denken lassen. Die Fotos der Künstlerin erforschen mit den Mitteln der Fotografie das Unheimliche. Lässt es sich an den Spukhäusern festmachen, oder entsteht es schlicht und einfach in unseren Köpfen?

Und so schleicht sich schemenhaft auch eine Einsicht an: Mutig ist nicht, wer mit Kameras Gespenster jagt. Mutig ist es, als Skeptikerin alle Zweifel auszuhalten und den Gespenstergeschichten anderer einfach zuzuhören.

Sendehinweis

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Mehr über die «Faszination Geister» können Sie hören – im «Kulturplatz Talk» am 30. Oktober um 9 Uhr auf Radio SRF 2 Kultur.

SRF 1, Tagesschau, 19.9.2025, 19:30 Uhr

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