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Ein Mann blättert in Charlie Hebdo.
Legende: «Charlie Hebdo» sorgt bei Frankreichs Intellektuellen wieder einmal für Kopfschütteln. Keystone

Charlie Hebdo vs. Mediapart Ein neuer Karikaturenstreit zieht seine Kreise

«Charlie Hebdo» wirft der Internetzeitung «Mediapart» vor, sich mit Islamisten zu verbrüdern und zum Mord aufzurufen. Damit hat das Satireblatt in Frankreich eine Lawine losgetreten.

Das Wichtigste in Kürze

  • In Frankreich tragen das Satireheft «Charlie Hebdo» und die Investigativ-Webseite «Mediapart» öffentlich einen Schlagabtausch aus.
  • Hintergrund des Streits ist eine Karikatur zum Islamexperten Tariq Ramadan, der wegen sexueller Belästigung angeklagt ist.
  • «Charlie Hebdo» wirft «Mediapart» vor, Ramadan in Schutz zu nehmen – «Mediapart» beschuldigt «Charlie Hebdo» einen «Krieg gegen den Islam» zu führen.
  • Unterdessen haben sich auch Intellektuelle und Politiker in den Disput eingeschaltet.

Die beiden Blätter

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«Der Chefredakteur von Mediapart ist eine Schande fürs ganze Land!», schnauft ein Leitartikel-Schreiber vor laufender Fernsehkamera. Die Frau neben ihm ist nicht einverstanden, brüllt schrill zurück.

Seit knapp 14 Tagen liefern sich französische Intellektuelle, Künstler, Journalisten und Politiker erbitterte Grabenkämpfe: Die einen bezichtigen Chefredaktor Edwy Plenel und seine «Mediapart»-Redaktion der ideologischen Komplizenschaft mit brandgefährlichen Islamisten. Das gegnerische Lager wirft «Charlie Hebdo» notorische Islamophobie und Arglistigkeit vor.

Die sechste Säule – ein Medienskandal

Ursprünglich ging es um eine andere Affäre: um die laufenden Ermittlungen gegen den muslimischen Intellektuellen Tariq Ramadan wegen sexueller Belästigung und Vergewaltigung.

«Charlie Hebdo» veröffentlicht auf seiner Titelseite eine Karikatur: Tariq Ramadan mit einem riesigen Penis in Erektion. «Ich bin die sechste Säule des Islams», steht in der Sprechblase.

Das Satiremagazin – 2015 Opfer eines IS-Mordanschlags, bei dem acht Redaktionsmitglieder erschossen wurden – erhält erneut islamistische Morddrohungen.

Augen zu – der Eklat

Eine Woche später legte «Charlie Hebdo» nach. Diesmal mit einer Karikatur über «Mediapart»-Chefredaktor Edwy Plenel, der sich Augen, Mund und Ohren zuhält . Die investigative Internetzeitung – so die klare Botschaft der Zeichner – habe den wegen seiner Nähe zur Muslimbruderschaft umstrittenen Ramadan wissentlich geschont.

Edwy Plenel schaut vor einer Betonwand skeptisch in die Kamera.
Legende: «Mediapart»-Chef Edwy Plenel holt gegen «Charlie Hebdo» aus. Imago/Belga

«Mediapart»-Chef Edwy Plenel schlägt zurück. Das Satireblatt «Charlie Hebdo» stehe für eine verirrte Linke, schreibt er. Es sei verbündet mit Rechten und Rechtsextremen und getrieben von einer Obsession: «dem Krieg gegen die Muslime, der Verteuflung von allem, was irgendwie mit dem Islam und den Muslimen zu tun hat.»

«Charlie Hebdo»-Chefredaktor Riss antwortet mit einem Leitartikel und wirft Plenel vor, dass er mit «Krieg gegen die Muslime» eine Formel der Islamisten benutzt hat. «Diesen Satz werden wir niemals verzeihen. Es ist ein Aufruf zum Mord!», schreibt Riss.

Valls springt in die Bresche

Eine offene Kampfansage an Plenel kommt auch von Ex-Premierminster Manuel Valls. Der «Mediapart»-Chef und seine Mitarbeiter seien «gefährliche Leute», poltert der Sozialist in einem Fernsehinterview: «Ich will, dass sie aus der öffentlichen Debatte ausgeschlossen werden!»

Porträt eines Mannes vor einem Regal mit Charlie Hebdo Sammlungen.
Legende: Laurent Sourisseau aka Riss leitet die Satirezeitschrift «Charlie Hebdo». Imago/PanoramiC

Valls deftige Attacke hat inzwischen 130 namhafte Intellektuelle und Künstler auf den Plan gerufen. Sie haben eine Petition unterzeichnet: zugunsten von «Mediapart» und für die Presse- und Meinungsfreiheit.

Klima der Feindlichkeit

Unterschrieben hat auch Eric Fassin. Der Politologe und Pariser Uni-Professor beklagt eine «antidemokratische Kultur», die in Frankreich auf beunruhigende Weise um sich greife. Tabu sei nicht nur die Kritik am «geheiligten» Satireblatt «Charlie Hebdo».

Im terrorgebeutelten Frankreich habe sich das Klima längst auch an den Universitäten und in Intellektuellenzirkeln spürbar verändert.

«Je reste Charlie»

Wer den zunehmenden Rassismus in der französischen Gesellschaft öffentlich kritisiert, der brauche heute Standvermögen, beteuert Fassin. «Ich werde permanent angegriffen, von Uni-Kollegen und Intellektuellen ausserhalb des Unibetriebs»

Doch bei aller Kritik – seine Solidarität will der engagierte Politologe den Karikaturisten von «Charlie Hebdo» nicht aufkündigen. Auch der «Mediapart»-Leser bleibt Charlie.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 22.11.17, 17.15 Uhr

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